Kommentar zum Radverkehrskonzept Eine Trasse macht noch keinen Sommer

Wuppertal · Das war ein kalter Wasserguss. Die Vorstellung des Entwurfes fürs lang herbeigesehnte Wuppertaler Radverkehrskonzept durch den Aachener Gutachter Dr. Rolf Kaulen hat alle Beteiligten auf das dringend nötige Maß der Realität gesetzt.

 Stefan Seitz.

Stefan Seitz.

Foto: Max Höllwarth

Zuletzt hätte man ja angesichts der Verlautbarungen aus dem Rathaus und von den unterschiedlichsten Parteien glauben können, Wuppertal sei in Sachen Radverkehr nur noch ein, zwei Schritte von Fahrradmengenverhältnissen wie in Peking zur Zeit der Kulturrevolution entfernt. Genau das Gegenteil ist zutreffend.

Der Aussage von Gutachter Kaulen, dass „das System der autogerechten Stadt in Wuppertal nach wie vor gilt, und die Stadt beim Radverkehr noch ganz am Anfang steht“, ist wenig hinzuzufügen. Zwar sind unsere Nordbahntrasse (mit ihrem zukünftigen Abzweig nach Langerfeld) und auch die (immer gern vergessene) Samba-Trasse großartige Strecken, die Wuppertals Verkehrsgesicht verändert haben. Aber mit echter, flächendeckender Alltagstauglichkeit hat das nur wenig zu tun. Der ADFC bringt das so auf den Punkt: „Radverkehr ist mehr als die Nordbahntrasse!“ Genau.

Die Liste dessen, was nachgearbeitet, neu geschaffen, verbessert, verbreitert, deutlicher ausgeschildert und repariert werden muss, wenn Wuppertal sich 2025 tatsächlich „Fahrradstadt“ nennen will, ist ellenlang. Mit aktuell 200.000 Euro jährlich für den nichtmotorisierten Verkehr, wovon (Entschuldigung!) nur lächerliche 100.000 auf das Thema Fahrrad entfallen sowie und nur einer zuständigen Mitarbeiterin im Rathaus, kann man eigentlich nicht erwarten, dass da schnell irgendetwas Sichtbares passiert.

Viele kleine Schritte sind schon umgesetzt: Fast alles, was in eine 30er-Zone umgewandelt werden kann, ist schon umgewandelt, nur noch 100 Einbahnstraßen sind nicht für gegenläufigen Radverkehr freigegeben – und auch die Fußgängerzonen-Frage wird bearbeitet. Gut so!

Aber es ist noch so viel zu tun: Aufgelistet hat das 150 Seiten starke Konzept 190 punktuelle Mängel. Schlechte Radwegezustände, unübersichtliche Kreuzungssituationen, Gullys parallel zur Fahrtrichtung – und viele Radwege sowie Schutzstreifen, die in ihrer Breite nicht mehr den aktuellen Soll-Maßen entsprechen. Das bedeutet: Zahlreiche Radwege müssten deutlich wachsen.

Vor allem aber die Frage einer direkten Ost-West-Talverbindung gilt es zu klären. Wenn die auf der B7 realisiert werden soll, kann es im historischen Allee-Stück in Unterbarmen eigentlich nur so laufen, dass zwei der vier Spuren zu Umweltspuren werden – und für Busse und Fahrräder gemeinsam zur Verfügung stehen. Ich kann mir keine andere Lösung vorstellen, ohne dass breite Bürgersteige, Parkplätze und vor allem Bäume geopfert werden müssten. Ich bin gespannt, wie dieses Radverkehrskonzept die Stadt verändert.

Die Kosten beziffert der Gutachter auf rund fünf Millionen pro Jahr – plus spürbar mehr Personal. Das ist der eigentliche Hammer. Ich frage mich ernsthaft, wie es den Parteien, die nun vollmundig die möglichst schnelle Umsetzung des Konzeptes fordern, gelingen wird, für des Kämmerers Kassenschatulle das passende „Sesam öffne dich!“ zu finden ...

Wuppertal hat einige gute (Freizeit-)Radfahrer-Inseln. Dazwischen klaffen große Lücken. Die Umsetzung einer innerstädtischen und alltagstauglichen Verkehrswende liegt noch in weiter Ferne.

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