Der ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Folklore und Schreigesang
Wuppertal / Tel Aviv · Wenn es bei der Eurovision nur noch englischsprachige Popnummern gäbe, hätte ich auf Dauer kein Interesse mehr an dem Wettbewerb. Doch, Gott sei Dank, gibt es immer noch Länder, die nicht nur zu meiner Freude an ihren Landessprachen festhalten, sondern auch Folklore-Elemente beinhalten. Zum Beispiel in diesem Jahr Polen und Ungarn.
Polen nimmt seit dem Eurovision Song Contest 1994 regelmäßig am Wettbewerb teil. Damals erreichte Edyta Górniak mit ihrer Ballade „To nie ja“ den zweiten Platz. Nun wird das Land von vier jungen Frauen aus Stettin vertreten mit dem Namen „Tulia“. Ihr Song heißt „Pali sie - Fire of Love“, das in Polnisch und Englisch gesungen wird. Die Damen treten stets in Tracht auf. Ihr kraftvoller Song für die Liebe und die Hoffnung ist aber sicher nicht jedermanns Sache. Und das liegt auch an dem so genannten „weißen“ Gesang, ein Schreigesang, der typisch für die Volksmusik Osteuropas ist. Die einen finden es gut, ich persönlich finde es interessant, aber höre auch Stimmen, die sagen, dass das Zuhören hier diesmal mehr als anstrengend ist. Eines ist aber sicher: dass sie mit ihren farbenfrohen Folklorekleidern, langen Zöpfen und Blumenkränzen beim ESC auffallen werden.
Ungarn schickt erneut Joci Pápai in Rennen, der bereits vor zwei Jahren sehr erfolgreich mit dem Titel „Origo“ war. 2017 erreichte er damit Platz acht im Finale. Der Roma-Ungar Sänger, der im September 1981 in der Kleinstadt Tata, das etwa 70 Kilometer von Budapest entfernt liegt, wird singt den Song „Az én apám“ („Mein Vater“). Bei der Probe trat er gewohnt barfuß auf der Bühne auf und begann sein Lied sitzend in der dunkel gehaltenen Bühne. Danach wird die Bühne nach und nach heller mit goldenen kleinen Kugeln. Und daraus erscheinen die Gesichter von seinen männlichen Familienmitgliedern.
Er selbst sagte im Interview, dass sein Herz voller Liebe und Dankbarkeit ist, dass es in dem Lied auch um die Liebe geht und dass man sich mehr Zeit für die Menschen nehmen soll, die uns am meisten bedeuten. Ein gute Botschaft und ein gutes Lied. Ich glaube, dass er das Finale erreichen wird, aber den Triumph von 2017 leider nicht übertreffen wird.
Somit habe ich heute mal mehr die folkloristische Seite vom ESC 2019 gezeigt und sende Euch viele musikalische Grüße, Euer Euro-Music-Peter!