Engels-Sonderausstellung Historisches Manuskript in Wuppertal zu sehen

Wuppertal · In der Sonderausstellung „Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa“ in der Kunsthalle Barmen (Geschwister-Scholl-Platz 4-6) sind die letzten Exponate eingetroffen. Knapp vier Wochen nach Eröffnung vervollständigen die Exponate vom International Institute of Social History aus Amsterdam die Ausstellung. Besonders stolz ist das Historische Zentrum darauf, die erste Seite des Entwurfsmanuskriptes zum Kommunistischen Manifest im Original zeigen zu können.

Das Original wurde vom International Institute of Social History aus Amsterdam geliefert.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

In der belgischen Hauptstadt Brüssel vollzogen Friedrich Engels und Karl Marx den Schritt in die aktive Politik: 1847 wurden sie Mitbegründer des Bundes der Kommunisten, eine relativ kleine Vereinigung – Anfang 1848 hatte dieser Geheimbund von emigrierten Intellektuellen und Handwerkeraktivisten wenige hundert Mitglieder. Engels formulierte im Herbst 1847 seinen ersten Entwurf für die „Grundsätze des Kommunismus“ und brachte diesen zum Dezember-Kongress nach London, jedoch wurde der Text nicht verabschiedet. Beschlossen wurde, dass Karl Marx auf der Grundlage vorliegender Materialien eine endgültige Fassung erstellen sollte. Das Manifest der kommunistischen Partei wurde im Winter 1847/48 in Brüssel geschrieben, im März 1848 in London ausgeliefert.

Marx hat Zeit seines Lebens Engels immer als gleichberechtigten Mitverfasser des Kommunistischen Manifests bezeichnet. Es spricht vieles dafür, dass die Abschnitte eins und zwei des Textes aller Wahrscheinlichkeit nach von Marx allein niedergeschrieben wurden – darauf weist die einzige überlieferte Manuskriptseite hin, die heute zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählt. Sie enthält den wirkmächtigen Eingangssatz „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ – daran angelehnt ist auch der Titel der Engels-Sonderausstellung. Im Manifest fassten Marx und Engels ihre materialistischen Auffassungen von Geschichte und Gesellschaft zusammen, die sie seit 1844 entwickelt hatten. Die „Geschichte aller bisherigen Gesellschaft“ sei eine „eine Geschichte von Klassenkämpfen“, nämlich die zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie. Dem Wirtschaftsbürgertum, der „Bourgeoisie“, wird eine „höchst revolutionäre Rolle“ attestiert, die sich in beeindruckenden „Umwälzungen der Produktions- und Verkehrsweise“ manifestiere und in einer Entfaltung der Produktivkräfte. Diese Dynamik führe zu sich steigernden Krisen der Überproduktion, der man durch verstärkte Ausbeutung der Lohnarbeit Herr zu werden versuche. Damit vergrößere sich das Proletariat immer mehr, die Bourgeoisie schaffe sich ihre „Totengräber“ quasi selbst. Daher lautet der Schlussakkord des Manifests: „Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“.

Das Kommunistische Manifest wurde im Frühjahr 1848 vermutlich lediglich in ein- bis zweitausend Exemplaren auf dem europäischen Kontinent verbreitet, es zeigte in der Revolution von 1848/49 kaum Wirkung. Seine eigentliche Wirkungsgeschichte liegt vor allem im 20. Jahrhundert, in dem es in erster Linie als kommunistisches Parteiprogramm gelesen wurde. Die weltweite, millionenfache Verbreitung war dann eine Sache der kommunistischen Parteien des 20. Jahrhunderts, die den Text als Legitimation ihrer Herrschaft umdeuteten.

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Entwurf des Marx-Manifestes in Wuppertal
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Entwurf des Marx-Manifestes in Wuppertal

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Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Nach Engels Tod wurden Dokumente, Manuskripte und Briefe an den SPD-Vorsitzenden August Bebel und den Parteiintellektuellen Eduard Bernstein übergeben – die Schriften gelangten somit in das Partei-Archiv der SPD. Aufgrund der akuten Gefährdung des SPD-Parteiarchivs in der Zeit des Nationalsozialismus wurde es notwendig, die wertvollsten Inhalte – zuallererst das Marx-Engels-Archiv – ins Ausland in Sicherheit zu bringen. Ein erster Transport mit zwei Koffern Marx-Manuskripten ging im April/Mai 1933 nach Kopenhagen in die Obhut der Sozialdemokratischen Partei Dänemarks. Ende 1935 gelang es, die gefährdeten Archivalien nach Amsterdam ins neu gegründete Internationale Institut für Sozialgeschichte (IISG) zu senden.

Spuren, Stationen und Wirkungen

Die Sonderausstellung „Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa“ geht den Spuren, Stationen und Wirkungen eines Menschen nach, der nicht nur für die Frühgeschichte des Kommunismus steht, sondern der exemplarisch die Geschichte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Das vierköpfige Kuratoren-Team um Heike Ising-Alms (leitende Kuratorin), Thorsten Dette (Stadtarchiv), Marina Mohr (Historisches Zentrum Wuppertal) und Reiner Rhefus (Historisches Zentrum Wuppertal) wurde dabei von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt – bestehend aus Dr. Anja Kruke (Archiv der sozialen Demokratie/Friedrich-Ebert-Stiftung), Prof. Dr. Wilfried Nippel (Humboldt Universität zu Berlin), Dr. Regina Roth (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften/MEGA) sowie Prof. Dr. Clemens Zimmermann (Universität des Saarlandes).

Die Ausstellung des Historischen Zentrums richtet einen historischen Blick auf den Unternehmer, Philosophen und Sozialkritiker, Schriftsteller und Journalisten, Revolutionär und Visionär, aber auch auf den pflichtbewussten Sohn, treuen und großzügigen Freund und geselligen Gastgeber. Dazu dient eine enge Verzahnung von Biografie, Werk und Lebensorten Engels` als konzeptionelle Grundlage der Sonderausstellung. Mit vielen Exponaten, Werken, Bildern und vor allem zeitgenössischen Fotos werden Ereignisse, Lebens- und Arbeitswelt auf dem Weg in die Moderne gezeigt, wie auch Engels sie wahrgenommen hat.

Highlights der Ausstellung sind bedeutende Werke von Friedrich Engels sowie originale Handschriften, Briefe, Karikaturen und Manuskripte, die – multimedial inszeniert – das vielseitige Denken Engels` verdeutlichen. Hinzu kommen ein eigens für die Ausstellung konzipiertes Engels-Brettspiel, persönliche Gegenstände und eine Vielzahl an Exponaten, die Einblick geben in Leben, Werk und Persönlichkeit des berühmtesten Sohns der Stadt Wuppertal. Blickfänger sind zeitgenössische Schwarz-Weiß-Fotos von Engels` Lebensorten, die mittels Beamer als Großprojektion an die Wände der einzelnen Ausstellungsräume projiziert werden.

Die Sonderausstellung „Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa“ wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Ausstellung endet am 20. September 2020. Ab sofort ist die Tageskasse in der Kunsthalle Barmen geöffnet. Es wird jedoch empfohlen, die Tickets online über das Ticketsystem Wuppertal-Live zu erwerben, da es vor allem am Wochenende aufgrund der begrenzten Besucherzahl zu Wartezeiten kommen kann. Es besteht Mundschutzpflicht für Besucher und Aufsichtspersonal. Alle weiteren Informationen zur Sonderausstellung gibt es online unter www.friedrich-engels-haus.de