Interview mit Bettina Kubanek-Meis Leiterin der Gesamtschule Barmen: „Kein schöneres Kompliment“

Wuppertal · Die Szenen, die sich beim Rundgang durch die Gesamtschule Barmen ergeben, wirken wie aus einem Image-Film. Freundliche Schüler, zufrieden wirkende Lehrer, glückliche Eltern und ein Gebäude, dessen eindrucksvolle Architektur nach 21 Jahren noch wie ein Neubau wirkt.

 Bettina Kubanek-Meis, Leiterin der Gesamtschule Barmen.

Bettina Kubanek-Meis, Leiterin der Gesamtschule Barmen.

Foto: Simone Bahrmann

Die Gesamtschule Barmen war bereits „Schule des Jahres“ und wurde nun – zum vierten Mal – mit dem Entwicklungspreis „Gute Gesunde Schule“ ausgezeichnet. Wie machen Sie das, Bettina Kubanek-Meis? Rundschau-Redakteurin Nina Bossy spricht mit der Schulleiterin über Atmosphäre und Werte, den Trend der Gesamtschulen – und ihren persönlichen Umgang mit den Schülerdemonstrationen „Fridays for Future“.

Rundschau: Frau Kubanek-Meis, Sie sitzen mittlerweile in der Jury, die Schulen mit dem den Deutschen Schulpreis kürt. Was macht eine Schule für die Jury auszeichnenswert und welches Kriterium liegt Ihnen besonders am Herzen?

Kubanek-Meis: Die Kriterien sind festgelegt, die Jury schaut sich unter anderem die Leistungen in vielen Sparten an, den Umgang mit Vielfalt an einer Schule sowie Qualität des Unterrichts, das Schulleben und die Atmosphäre. Ich denke, die Kriterien sind klug ausgewählt. Sie erfassen das ganze Spektrum der Aufgaben, denen sich Schule heute stellen muss. Der Umgang mit Medien spielt auch heute schon in der Bewertung eine Rolle, ich könnte mir allerdings sogar vorstellen, dass zukünftig hier ein eigener Qualitätsbereich für die Auszeichnung entsteht. Besonders wichtig erscheint mir persönlich die Frage, welche Gelegenheiten eine Schule Schülerinnen und Schülern gibt, Verantwortung zu übernehmen.

Rundschau: An Ihrer Schule ist der Umgang mit Medien sogar ein eigenes Unterrichtsfach. Wie ist es Ihnen gelungen, zwischen enggezurrten Lehrplänen ein eigenes Fach zu etablieren?

Kubanek-Meis: Vom Kindergarten an agieren Heranwachsende heute mit Handys. Die neuen Medien bergen Gefahren genauso wie großartige Möglichkeiten. Im fünften Jahrgang haben alle Schüler das Fach „Medienerziehung“ auf dem Stundenplan. Und ab Klasse 7 können sie bei uns als einziger Schule in NRW „Medien und Gestalten“ im Wahlpflichtbereich als Hauptfach wählen. Ich darf das großartig finden, weil ich das Fach nicht selbst entwickelt habe. Ich bin so dankbar für das Lehrer-Team dahinter.

Rundschau: Sie schreiben auch auf Ihrer Homepage, dass das demokratische Bewusstsein der Schüler gestärkt werden soll. Zur Demokratie gehört das Demonstrationsrecht: Wie sind Sie an Ihrer Schule mit „Fridays for Future“ umgegangen?

Kubanek-Meis: Ich sehe die Freitags-Demonstrationen der Schüler als Steilvorlage, um mit ihnen über Klimapolitik und klimagerechtes Verhalten zu sprechen. Als Schule ist es unsere Aufgabe, ihnen wissenschaftliche Argumente an die Hand zu geben. Sie sollen Fakten kennen und fundiert argumentieren können.

Rundschau: Und ganz praktisch, am Freitag vergangener Woche? Die Bezirksregierung hatte ja dazu aufgerufen, nicht anwesende Schüler aufzuschreiben.

Kubanek-Meis: Wir haben an dem Freitag, wie an jedem anderen Tag auch, registriert, welche Schüler nicht den Unterricht besuchen. Unentschuldigtes Fehlen wird als Fehlstunde vermerkt. Nicht mehr, nicht weniger.

Rundschau: Gehört zu der Entwicklung eines politischen Bewusstseins die Emotion zwingend dazu? Und ist eine Demonstration dafür nicht die beste Lehrstunde?

Kubanek-Meis: Ich bin sehr rational, aber ja, der Mensch ist niemals nur Verstand. Dass Schüler durch diese friedlichen Demonstrationen erfahren, wie wirkmächtig sie sind, darüber kann man sich eigentlich freuen.

Rundschau: Sie erwarten in diesem Jahr 168 neue Fünftklässler. Wie viele Bewerber mussten sie ablehnen?

Kubanek-Meis: Wir mussten über die Hälfte der Bewerber absagen, das fällt uns sehr schwer. Wir bilden zwei Leistungsgruppen aller Schülerinnen und Schüler, die sich beworben haben. Sollte die Zahl der Schüler und Schülerinnen in einer Gruppe die Kapazität der Plätze überschreiten, müssen wir losen. Das ist traurig, aber es geht nicht anders. Der Bau der siebten Gesamtschule ist daher auch für uns eine Erleichterung.

Rundschau: Der Hype um die Gesamtschulen ist in Wuppertal ungebrochen. Was ist der Reiz an dieser Schulform?

Kubanek-Meis: Die Schüler werden nicht bereits in der fünften Klasse auf eine Spur gesetzt. Da sind sie noch so klein und haben so große Entwicklungspotenziale, die Schule aus ihnen herauslocken kann. Zudem birgt das Leben auch Krisen und die haben immer eine Auswirkung auf schulische Leistungen. In solchen Lebensphasen müssen die Kinder bei schlechteren Leistungen nicht wechseln, sondern sie bleiben bei uns und die Schule ist eine Konstante in ihrem Leben. Wenn uns Absolventen besuchen, sagen sie oft: Das war mein zweites Zuhause. Ein schöneres Kompliment ist nicht möglich.

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