Nachmittags, zwischen vier und fünf, zweimal hupen. Die Schölleraner wissen dann, Arnold Schmidt (61) ist da, er bringt die Post. Seit mehr als 20 Jahren geht das nun schon so, früher hat man das Auto noch gehört, mittlerweile ist er elektrisch unterwegs. Man kann die Uhr nach ihm stellen, er kommt auch samstags, wenn die meisten Leute längst ihre Füße hochgelegt haben. Am Heiligabend, andernorts wird schon der Baum geschmückt, steht er mit der Post vor der Tür. Es könnte ja sein, das noch irgendwer auf ein Last-Minute-Geschenk wartet.
Arnold, so nennen ihn die Schölleraner, ist aus dem „Dorf“ nicht mehr wegzudenken. Seit sie dort wissen, dass er bald nicht mehr kommen wird, ist nichts mehr so wie es war. Sein Arbeitgeber, die DHL Group, hat ihm zwei Jahre vor der Pensionierung den Zustellungsbezirk weggenommen. Die Tour wurde geändert, jetzt soll er irgendwo in Vohwinkel austragen.
In Schöller rätseln sie nun, wie so etwas sein kann. Gäbe es einen Chef, einen Ansprechpartner – sie hätten dort längst an die Tür geklopft. Wer solche Entscheidungen trifft? Ob nicht längst die KI am Werk ist? Man weiß es nicht. DHL – so sehen es die Schölleraner – sei anonym, unpersönlich und unnahbar. Im Dorf macht sich Verzweiflung breit, ein paar Tage noch, dann wird das vertraute Hupen verstummt sein.
„Der Arnold ist das Herzstück von Schöller“, sagt Laura Wohlers. In den letzten Tagen hat sie mit vielen Nachbarn gesprochen, keiner kann sich vorstellen, wie es werden soll ohne Arnold Schmidt.
Die Schölleraner haben jetzt eine Online-Petition für seinen Verbleib gestartet, bis Donnerstag gab es knapp 200 Unterzeichner. Sie wollen ihren Postboten unbedingt behalten.
Wie es ohne Arnold Schmidt sein wird, das wissen sie längst aus Zeiten, in denen er im Urlaub war: Tageszeitungen kommen nur alle paar Tage, dafür dann stapelweise. Pakete kann man live verfolgen, bis irgendwann die Meldung kommt, dass die Tour wegen Zeitüberschreitung abgebrochen wurde. Oder noch besser: Man sitzt den ganzen Tag zu Hause und wartet, um dann auf einem Zettel zu lesen, das man das Paket in der Filiale abholen darf.
Und Arnold Schmidt? Dass ihm der Zustellbezirk weggenommen wurde, hört er am ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub. Auf den Fotos, die ein Kollege ihm zeigt, sucht er vergebens nach dem Schöllerweg. „Ich war sprachlos“ sagt er, er habe sich erst mal setzen müssen, sein Herz sei gerast. Er sagt, dass er schlecht schläft. Schmidt ist Beamter, er klagt nicht über seinen Arbeitgeber. Und dennoch: Wer mit ihm spricht, der spürt, wie sehr er leidet unter einer Entscheidung, die auch er nicht versteht.
Mehr als die Hälfte seines „Postbotenlebens“ ist er durch Schöller gefahren, gerne hätte er das noch weiter getan bis zu seiner Pensionierung in zwei Jahren, er kennt die Menschen dort. Sie erzählen ihm ihre Sorgen und Nöte, vor allem für die älteren Schölleraner ist er oftmals der einzige, der an der Tür klingelt. „Ich wurde aufgenommen wie in einer großen Familie“ sagt Arnold Schmidt. Das werde ihm fehlen, er sei sehr traurig.
In Schöller sehen sie es derweil so: „Auf dem Dorf“ werde noch etwas hochgehalten, das bei der DHL inmitten von Anonymität längst auf der Strecke geblieben sei: Menschlichkeit und Zuverlässigkeit.
Britta Töllner von der für Wuppertal zuständigen DHL-Pressestelle in Düsseldorf liefert auf Rundschau-Anfrage folgende Erklärung für den Vorgang: „Herr Schmidt stellt Briefe und Pakete gleichzeitig zu. Weil die Sendungsmengen dabei immer größer werden, muss sein Bezirk neu zugeschnitten werden, um das Aufkommen noch bewältigen zu können.“ Den größten Teil seines Zustellgebietes behalte er bei der ab 8. September greifenden Umstellung aber, der Bereich Schöller gehöre jedoch offensichtlich nicht dazu.
Grundsätzlich freue man sich sehr, dass Arnold Schmidt so beliebt sei. Andere Zusteller seien aber genauso nett und zuverlässig. Und einen Anspruch auf den lebenslangen Einsatz in einem bestimmten Bezirk gäbe es natürlich nicht.