Rundschau-Serie „Auf ein Bier“ Vom Schicksal zum Wirt berufen
Wuppertal · Groß, blond, wasserdicht, so steht Ralf Dörr täglich (außer donnerstags) hinter der Theke der Schwedenstube in Wichlinghausen und zapft goldgelbes Bier in glasklare Gläser. Den Spitznamen „Schwede“, erzählt er, hat er von den Jungs aus dem Fußballverein. Seine erste Kneipe „Zum Schwede“ zu nennen und die zweite „Schwedenstube“, lag also auf der Hand.
Als Ralf Dörr, gelernter Textilmeister, seine Marina kennenlernte und an einem ihrer ersten Treffen mit ihr in die Kneipe an der Königsberger Straße ging, sagte sie zu ihm: „So etwas möchte ich auch mal haben.“ Zwei Jahre später, als hätte das Schicksal damals zugehört, rief der Wirt der Kneipe bei ihnen an und fragte das Paar: „Wollt ihr sie übernehmen?“ Das taten sie, und bis zum Umbruchjahr 2012 lief fortan alles wunderbar. Die Kneipe, auch wegen ihrer eher bescheidenen Größe, war jeden Abend rappelvoll, die Gäste eine eingeschworene Gemeinschaft.
Dann kam das Rauchverbot und brachte die Erfolge der Kneipiers ins Wanken. Als Ralf schließlich seinen Job in der Textilindustrie verlor, musste das Paar auch den „Schwede“ schließen.Aber das sollte nicht der Schlussstrich gewesen sein. Zwei Wochen nach dem letzten Ausschank fuhren sie an der ebenfalls geschlossenen Wirtschaft „Am Diek“ vorbei. Gute Lage, große Räume und ein Hinterhof für weitläufige Außengastronomie. Auch im Winter könnten die Raucher hier ihre Zigarette paffen.„Die Kneipe war total abgerissen“, erinnert sich Marina Dörr an ihren ersten Eindruck. Am Ende hat es dann aber doch nur vier Wochen und viel Unterstützung der Freunde und Familie gebraucht, um die „Schwedenstube“ in die gute Stube zu verwandeln, die sie heute ist. Viel Holz, viel Fachwerk und viel Handarbeit, dazu Dart-Scheiben, Spielautomaten und ein paar Erinnerungsstücke aus dem alten „Schwede“, wie der Pinguin-Butler neben dem Eingang, den das Paar damals für 6,45 Euro bei eBay erstanden hat.
Das Publikum am Diek ist größtenteils Ü60, Stammkunden und Nachbarschaft, Vereine und Doppelkopfrunden. „Meist gut situiert. Man merkt nicht, wenn es Monatsende ist“, erzählt die Wirtin. Im Betrieb kümmert sie sich um die Küche, serviert unter der Woche Eintopf, Strammen Max und Frikadellen, am Wochenende Schnitzel mit Pommes oder Schaschlik. Zwei bis drei Mal im Jahr gibt es Pferdesauerbraten, im Sommer wird im Biergarten gegrillt. „Eine Speisekarte gibt es nicht. Hier wird gegessen, was auf dem Tisch kommt.“ Wie früher bei Mutti.
Ralf ist derjenige, der in der Kneipe Stimmung macht. Er schenkt das Bier aus und organisiert Veranstaltungen. „Schock-Tunier, Dart-Tunier oder Livemusik. Wir hatten sogar schon die Pöms hier“, sagt der große, blonde „Schwede“.
Im verflixten siebten Jahr kam dann plötzlich die Corona-Krise. Die „Schwedenstube“ besucht hat die Rundschau bereits kurz vor dem totalen Lockdown. Nach wochenlanger Trockenlegung hat die Wirtschaft seit dem 29. Mai unter Hygiene-Auflagen wieder geöffnet. „Wir müssen noch durch ein paar härtere Wochen, aber wir sind fest davon überzeugt, dass wir es gemeinsam schaffen werden“, erklärt das Paar seinen Gästen auf ihrer Webseite. Schon vor der Krise waren sich beide bewusst: Ohne die Unterstützung der Familie würden sie den Kneipen-Alltag nicht schaffen. „Vielleicht können wir das auch in den Artikel schreiben“, bat Ralf Dörr bereits im März. „Ein großes Dankeschön!“