So, so, dank Boris Charmatz ist Wuppertal also tatsächlich eine Tanzstadt geworden. War da nicht was? War da nicht mal die große Choreographin Pina Bausch, die die Begriffe Tanz & Wuppertal hat eins werden lassen? Weltweit, sehr erfolgreich und preisgekrönt. Dass Tanz aus Wuppertal kommt, dass Menschen weltweit bei Tanz überhaupt an Wuppertal denken, ist in meiner Erinnerung Pina Bausch zu verdanken.
So, so, Boris Charmatz hat den Tanz unter Beteiligung vieler Laien mitten in die Stadt geholt. Auch hier war es in meinen Augen Pina Bausch, die mit Kontakthof Menschen aus Wuppertal einbezogen hat, erst die Alten, dann die Jungen, mit ihnen auf Tournee ging und weltweit für Begeisterung sorgte.
So, so, die Inszenierungen von Boris Charmatz haben bleibende, wunderbare Bilder der Stadt in die ganze Welt geliefert. Da war doch auch schon mal was, oder? Ich denke da an den Film „PINA“ von Wim Wenders. Wunderbare Bilder und Tanzszenen mitten in der Stadt, auch unter der Schwebebahn, alles dabei! Ein Film, der weltweit in die Kinos ging und große Beachtung fand. Lange bevor Boris Charmatz nach Wuppertal kam.
Wer sich erinnern möchte, welche Rolle Pina Bausch für den Tanz und damit für Wuppertal spielte, wer sich ihre Einzigartigkeit und ihre Persönlichkeit in Erinnerung rufen möchte, dem empfehle ich, die Trauerrede von Wim Wenders, die er 2009 im Opernhaus hielt, noch einmal zu lesen. Man kann Boris Charmatz danken, ihn auch loben, aber ihm alles, was Pina Bausch schon vor Jahrzehnten entwickelt hat, zuzuschreiben, macht mich (fast) sprachlos.
In meiner Wahrnehmung hat Boris Charmatz das Tanztheater Pina Bausch gebraucht oder genutzt, um seine eigenen Stücke aufführen zu können, auch Stücke, die vor seiner Zeit in Wuppertal entstanden sind. Man muss sich nur das aktuelle Programm anschauen. Die WuppertalerInnen dürfen die Stücke von Pina Bausch noch sehen, bei der internationalen Tournee dagegen steht es 23:7 für Boris Charmatz. Und die internationale Bühne ist für einen Choreographen das weitaus erfolgversprechendere Sprungbrett.
Was auch immer zu der Trennung von Boris Charmatz geführt hat, dass die Verantwortlichen der Verwaltung Wuppertal sich in Schweigen hüllen, lässt vielfältige Interpretationen zu. Dass sie aber nun einen Abgesang von sich geben, der an Lobhudelei erinnert, macht doch stutzig. Dass Boris Charmatz selbst "dem großen künstlerischen Werk von Pina Bausch in Unabhängigkeit und Freiheit nur das Allerbeste“ wünscht, wirft die Frage auf, „Unabhängigkeit und Freiheit“ von was oder wem? Von der Verwaltung oder von ihm?
Was immer da vorgefallen ist, ich wünsche mir, dass das Tanztheater Pina Bausch wieder es selbst sein darf. Ein Tanztheater, in dem der Geist von Pina Bausch weiterlebt und erkennbar bleibt. Ein Tanztheater, das zeigt, was Menschen bewegt – und damit uns bewegt und tief berührt. Ein Tanztheater Pina Bausch, das seinem Namen gerecht bleibt. Und das gern auch mit neuen Stücken.
Rita Herweg
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