TiC mit „Der eingebildete Kranke“ von Molière Frech mit Freestyle – und klassisch

Wuppertal · Französische Komödien aus dem 17. Jahrhundert können auch heute noch witzig und lehrreich sein. Das beweist das Theater in Cronenberg (TiC) mit der aktuellen Produktion „Der eingebildete Kranke“ von Molière.

Das TiC-Ensemble der Produktion "Der eingebildete Kranke" macht aus Molières Klassiker eine unterhaltsame moderne Version.

Foto: Martin Mazur

Es geht um den reichen Herrn Argan, der sich alle möglichen Krankheiten einbildet. Von seinen Medizinern wird er mit völlig unnützen Mitteln und für teures Geld „behandelt“. Um Geld zu sparen, will er seine Tochter Angélique mit einem Arzt verheiraten. 1673 feierte der Autor und Schauspieler Molière mit diesem Stück einen letzten großen Erfolg am Hof von König Ludwig XIV.

In Cronenberg wurde die Inszenierung von Martin Petschan ebenfalls begeistert aufgenommen. Das Thema Hypochondrie und die Frage, inwieweit Mediziner wirklich helfen können und wollen, oder ob es ihnen nur um Profit geht, bewegt die Menschen wohl immer noch. Das Stück unterhält über zwei Stunden (mit Pause) mit Kritik und Ironie.

Der Regisseur hat die Handlung in die 1950er Jahre verlegt. Das ergibt Sinn, erinnern doch die patriarchalen Strukturen durchaus entfernt an die Zeit des Sonnenkönigs. Das Bühnenbild, das Wohnzimmer von Herrn Argan (Umsetzung: Stefan Böhmer und Frank Fischer), besteht zum Teil aus Originalmöbeln und Accessoires (wie einem Kofferplattenspieler) der 50er. Auch die Kostüme (Maya Fichtel und Noëlle-Magalie Wörheide) wirken zeitgenössisch. So trägt Angélique (Lucy Martens) ein Kleid mit weitem Rock und schmaler Taille sowie Haarschmuck und mit Rüschen und Schleifen verzierte Schuhe.

Sie ist eine brave Tochter, die das Haus eigentlich nicht verlassen darf und nur durch Zufall im Theater eine Bekanntschaft macht. Ihr Schwarm Cléante (Dominik Schinner) hingegen kommt typisch 50er mit Lederjacke und gestylten Haaren (Maske: Elke Quirmbach) daher. Er verschafft sich mit Hilfe des gewitzten Hausmädchens Toinette (bemerkenswerte Darstellung von Christina De Bruyckere-Monti) als angeblicher Gesangslehrer Zugang ins Haus.

Argans (schön leidend: Christoph Güldenring) Bruder Béralde (Dennis Gottschalk) ist optisch „ein bunter Vogel“, der sich über die eingebildeten Krankheiten seines Bruders und seine Behandler mokiert. Béline, die zweite Ehefrau Argans (Beril Erogullari in einer zweiten Rolle als mafiöser Arzt), die die Stieftochter ins Kloster stecken will, um allein ans Erbe zu gelangen, trägt „à la Chanel“.

Dass Argan in sich und seiner Hypochondrie gefangen ist, symbolisiert ein gestreifter Pyjama, der Häftlingskleidung ähnelt. So gibt es allein schon bei den Äußerlichkeiten viel zu entdecken, was Fans von opulenten Inszenierungen gut gefallen dürfte.

Inhaltlich nimmt der Regisseur einige Kürzungen vor. Aus der „Ballettkomödie“ wird eine reine Komödie. Zudem fallen ein paar Figuren, wie die zweite Tochter Argans, der Notar und weitere Ärzte weg. Das ist der Handlung nicht abträglich, macht sie sogar übersichtlicher. Allerdings werden im sehr umfangreichen Programmheft zum Stück Szenen mit diesen Personen besprochen. Das sorgt für Verwirrung. Ebenso die Erklärung zum Tod als einem Hauptmotiv der Handlung. Das ist im Original so, aber in der TiC-Produktion steht das nicht im Vordergrund.

Argan hält sich zwar für sterbenskrank, stellt sich später sogar zweimal tot, um die Gefühle von Gattin und Tochter zu testen. Doch ist das eher ein Beiprodukt. Im Mittelpunkt stehen neben der Frage nach dem Sinn der Medizin und der Ungleichbehandlung von Patienten die Streiche der frechen, extrem selbstbewussten Toinette sowie Angéliques Zwangsverheiratung, die von Toinette und Bérald abgewendet werden kann. Deshalb ist das Stück leicht zu verfolgen und dank der fröhlichen Spielweise des Ensembles (teils in Doppelrollen) vergnüglich.

Zwischendurch gibt es mal ein bisschen Freestyle bei der Regie, was zu Figuren wie einem „Klaus-Kinski-Apotheker“ oder einem amerikanischen Wunderarzt führt und die Handlung noch abgedrehter erscheinen lässt. Insgesamt aber ein klassischer Molière mit Unterhaltungswert.