Die von 1816 stammende Story, mit der Gioachino Rossini seinen größten Opernerfolg verbuchte, ist ein Klassiker des Gefühls-Hin-und-Her und der Liebesverstrickungen. Rechtschaffen komisch insgesamt – auch heute noch für manchen Schmunzler gut.
Der Wuppertaler Inszenierung von Marie Robert unter dem hin und wieder zu hurtigen Taktstock von Dirigent Yorgos Ziavras gelingt es, trotz einiger Längen im ersten Teil, einen Bogen aufzubauen, der vor allem nach der Pause kraftvoll dem (natürlich!) guten Ende der Love-Story entgegendrängt.
Im ziemlich gesichtslosen Bühnenbild (Maria Bieler), das an die leblosen Stadtlandschaften des italienischen Metaphysik-Malers Giorgio de Chirico denken lässt, wird das Licht manchmal bunt, manchmal hell, manchmal düsterer. Mal gewittert es, und zu Beginn steht (warum nur?) ein Baustellen-Pylon vor dem Vorhang.
Das alles zusammen jedenfalls ist Sevilla: Dort verliebt sich die junge Rosina in den Grafen Almaviva, von dem sie nicht weiß, dass er der Graf Almaviva ist. Und muss sich der Avancen ihres uralten Vormundes Bartolo erwehren, der sie gern für sich hätte. Dazwischen als Strippenzieher, Gerüchteküchen-Kenner und wahres „Faktotum“ – Figaro, der Barbier von Sevilla.
Der schneidet übrigens nicht nur Haare und Bärte, sondern übernimmt auch (wie’s früher war im Barbier-Gewerbe) mittelschwere Medizin-Aufträge. Drum trägt Zachary Wilson als Barbier auch eine Art Lederschurz. Er ist mit viel Augenzwinkern unterwegs, meistert seinen Klassik-Hit, die Hochgeschwindigkeits-„Figaro-Fakotum“-Arie, exakt und mit wohlklingendem Bariton, ist stets gut gelaunt und sehr beweglich.
Übertroffen wird er nur von Oliver Weidinger als Dr. Bartolo: Dessen weithin klingender Bassbariton und seine mimisch-komödiantischen Fähigkeiten verdienen großen Slapstick-Applaus. Sein Kostüm erst recht: Wie Petra Korink ihn in einen, quasi ein Eigenleben führenden Riesenmantel „hineingeschossen“ hat, sorgt nicht umsonst für viele Lacher.
Edith Grossman gibt eine wunderbare Rosina: Mit starkem Mezzosopran und viel Emotion laviert sie als „Objekt der Begierde“ durch das wild wogende Durcheinander dieser Oper. Ihr zur Seite (in der Premiere) Tenor Charles Sy als Graf Almaviva: Er wirft sich überzeugend ins Zeug – und bringt vor allem als angeblich betrunkener Soldat sängerisch-textlich sehr Feingliedriges zustande.
Ein Lob verdient hat auch seine abstruse blond-schwarze Frisur. Die schlägt nur noch der Kopfschmuck des Musiklehrers Basilio, den Agostino Subacchi mit schönem Bass und manchem Hüft- sowie Haarschwung verkörpert. Sein Auftritt hätte in jedem Conchita-Wurst-Lookalike-Contest beste Chancen.
Nicht zu vergessen auch Sopranistin Xïa Wang als Schneiderin Berta: In einem geometrischen Kostüm, das an Gewänder aus Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ der 20er Jahre erinnert, badet sie im männlichen Opernchor, dessen Herren mit metallblauen Sixpack-Shirts und künstlichen Tätowierungen punkten. Was diese Szene allerdings überhaupt soll? Wenn man könnte, würde man das Signore Rossini gerne mal selbst fragen.