Da war ich drin Magische Nacht im Zauber-Schrott-Wald

Duisburg/Wuppertal · Mal raus aus Wuppertal und anderswo auf eine Theaterbühne schauen? Ja! Im Rahmen der Ruhrtriennale läuft zurzeit in der beeindruckenden Kulisse der Kraftzentrale auf dem Gelände des Landschaftsparks Duisburg-Nord „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare. Leider ist die fesselnde Inszenierung, eine Koproduktion des Wiener Burgtheaters der Ruhrtriennale, nur noch zweimal zu sehen. Sie hätte mehr, viel mehr Termine verdient.

"Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare bei der Ruhrtriennale 2023. Von links: Sylvie Rohrer (Oberon), Dorothee Hartinger (Puck), Markus Scheumann (Titania) sowie Sabine Haupt und Gunther Eckes als Elfen.

"Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare bei der Ruhrtriennale 2023. Von links: Sylvie Rohrer (Oberon), Dorothee Hartinger (Puck), Markus Scheumann (Titania) sowie Sabine Haupt und Gunther Eckes als Elfen.

Foto: Matthias Horn, Ruhrtriennale 2023

Über 400 Jahre alt ist diese Komödie – und wird nie alt. Sie erzählt vier Geschichten: Athens König Theseus und seine Hippolyta bereiten ihre Hochzeit vor, die beiden adligen Paare Lysander und Hermia sowie Demetrius und Helena streiten darum, wer wen und wer wen nicht liebt, eine Laien-Theatergruppe strickt an einem Stück, das zur königlichen Hochzeit aufgeführt werden soll – und im Zauberwald nahe Athen haben der Elfenkönig Oberon und seine Gattin Titania Ehekrach.

Dort eben – in jenem Zauberwald – treffen alle aufeinander und es entspinnt sich ein munteres Durcheinander. Inklusive aus einem Zauberkraut gewonnenen magischen Tropfen, die das schlafende Tropfen-Opfer sich unsterblich ins erste Lebewesen verlieben lassen, das vor die erwachenden Augen tritt. Darin steckt viel Verwechselungs-Komödiantentum…

Etwa 140 Minuten lang ist die Inszenierung von Barbara Frey, die ohne Pause funktioniert und nicht eine Sekunde lang „hängt“. Alles beginnt im per durchsichtigem Vorhang geöffneten Cargo-Container – und davor. Wir sind in Athen. Dann wendet sich das Blatt, dreht sich die Bühne, es schlagen die nächtlichen Stunden des verwunschenen Waldes.

Den hat Martin Zehetgruber als Quasi-Schrottplatz ausgestattet: Vier Autowracks sind halb in der Erde vergraben, ein paar Bäumchen stehen herum, vor der Container-Rückwand agiert Josh Sneesby als Live-Musiker. Er und sein minimalistisches Instrumentarium hüllen den gesamten Raum in einen dezenten, magischen Klangteppich – das Zauberwald-Licht tut sein Übriges.

Das Ensemble lässt nie nach. Doppelrollen gibt es, Frauen spielen Männer und umgekehrt, Schauspieler spielen (schlechte) Schauspieler – und zwar ausgezeichnet. Über allem glitzert Shakespeares Sprache. Die bewältigt das Personal kongenial: Allen voran zieht Markus Scheumann als silbern hochtoupierte Elfenkönigin Titania mit schlangenartigen Bewegungen und intensiven Textkaskaden wie ein kraftvoller Sog alle in seinen Bann. Ausgezeichnet auch Oliver Nägele als zwischenzeitlich eselsköpfiger Zettel – und den Waldgeist Puck gibt Dorothee Hartinger nachdenklich-verschmitzt.

Mit ihr, die auf dem Container-Dach sitzt und ein Fazit zieht, endet das Stück, das Netze aus- und Fragen aufwirft. Es geht um Träume und Schäume der Liebe, um (Geschlechter-)Verwirrung, um schwere Unwetter & Co., die der Streit von Oberon und Titania „draußen“ bei den Menschen verursachen – und der Zauberwald ist ein schmutziger Platz. Titania wischt sich angesichts der rostigen Autowracks immer wieder Hände und Paillettenkleid.

Sind also Liebe und Geschlechterzuordnung nichts Verlässliches? Sind die Wetterphänomene (Klima-)Menetekel an der Wand schon vor 400 Jahren gewesen? Ist unsere Welt auch da, wo sie verzaubert scheint, nur Schrott und Rost? Barbara Frey, die inszenierende Intendantin der Ruhrtriennale, widerspricht da nicht: Sie jedenfalls nennt Shakespeares Komödien-Klassiker „das Stück der Stunde“.

Großer, großer Applaus. Und schade: „Ein Sommernachtstraum“ in der Duisburger Kraftzentrale gibt’s nur noch am 16. und 17. August 2023. Für beide Termine meldet www.ruhrtriennale.de „ausverkauft“. Aber wer weiß: Vielleicht geht ja trotzdem noch was? Eventuell mit etwas Zauberkraut…

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