Ein neues Buch von Michael Zeller Störche, Menschen, Castor-Protest

Wuppertal · Das kann er ja. Diese kleinen, zuschauenden und nachdenklichen Geschichten. Etwas mehr als 100 Seiten hat es, das neue Buch von Michael Zeller. „Künstlernovelle“ nennt es sich im Untertitel.

„Wendisches Sommergewitter“ von Michael Zeller ist im Verlag Rote Katze erschienen und kostet im Buchhandel 20 Euro.

„Wendisches Sommergewitter“ von Michael Zeller ist im Verlag Rote Katze erschienen und kostet im Buchhandel 20 Euro.

Foto: Verlag Rote Katze

Ob der hätte sein müssen, dieser Untertitel, der doch etwas kopflastig klingt? Schwamm drüber. „Wendisches Sommergewitter“ ist eine Reise. In einen (heute wieder) vergessenen deutschen Landstrich, in die Geschichte der jüngsten Vergangenheit – und ins Ich des Autors. Zeller, zusammen mit Hermann Schulz „Alterspräsident“ der Wuppertaler Literaturszene, erzählt vom Schriftsteller Carlo Andrich. Der ist er selbst, das wird schnell klar. Auf die wenigen Monate eines Stipendiums im Wendland-Künstlerdorf Schreyahn fällt das Licht. Karge Landschaft im Osten von Niedersachsen, eigenwillige Menschen, Dörfer in Rundlings-Form.

Und ein Sommergewitter, das wenig mit dem Wetter zu tun hat: Der erste Castor-Transport mit Atommüll zur Endlagerung in Gorleben am 25. April 1995 – der fällt exakt in Carlo Andrichs Aufenthalt im Wendland. Mit der typischen „Zeller-Art“ von liebevoller Anteilnahme und zögerlicher Distanz erzählt „Wendisches Sommergewitter“ Tage und Wochen dieser Zeit, die Deutschland damals sehr umgetrieben hat.

Im Auge des Sturms – mitten im Wendland – bleibt Zellers Text stets gelassen: Auch dann, wenn friedliche (!) Protestierende und zwar schwer uniformierte, aber ebenfalls friedliche Polizisten sowie Polizistinnen (Letzteren widmet sich Zeller sehr ausführlich) einander Auge in Auge gegenüberstehen. Seltsam eingefroren wirkt dieses Stück Fast-noch-Gegenwart, wenn Zeller es mit den Augen seiner Figur Andrich anschaut – und es mit dessen Stimme beschreibt.

Ja, das ist ein politischer Text. Definitiv. Nie aber politisierend. Doch durchaus selbstkritisch der Künstlerrolle gegenüber: Immer nur über die Ereignisse schreiben? Sich nie einmischen? Reicht das?

Wenn’s um die Leute geht, ist „Wendisches Sommergewitter“ sehr menschlich. Denn alle, aus denen Andrichs kleine Welt für einige Monate besteht, werden schnell plastisch. Zäh, individuell, widerständig sind sie. Die meisten liebenswert-schräg, aber nicht alle. Hinter mancher Fassade dieser von enger Nachbarschaft geprägten Welt gibt es auch kräftige Risse. Zeller nennt sie beim Namen.

Ein kleines Buch ist das. Eine gute Zeit hat man damit als Leser. Und die Abschnitte mit den Störchen – die sind wirklich schön.

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