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"Das Land des Lächelns" in den Schlagzeilen: Rassismus auf der Bühne?

"Das Land des Lächelns" in den Schlagzeilen : Rassismus auf der Bühne?

Die Wuppertaler Bühnen sind in die überregionalen Schlagzeilen geraten — auf ganz unverhoffte Weise: Die Inszenierung von Franz Lehárs Operette "Das Land des Lächelns", die derzeit im Opernhaus zu sehen ist, sei in Teilen rassistisch, hat der bekannte Kritiker Stefan Keim befunden.

Mit dem Deutschlandfunk und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung haben zwei weitreichende überregionale Medien den Vorwurf aufgegriffen. Worum geht es dabei? Im zweiten Teil der Operette, der in China spielt — die österreichische Grafentochter Lisa ist dem Prinzen Sou-Chong in dessen Heimat gefolgt — sieht man einen (chinesischen) Diener, der innerhalb des ansonsten formvollendet dargestellten Zeremoniells als Witzfigur gezeichnet ist. Auch gibt es eine Gruppe ziemlich albern auf und ab marschierender chinesischer Soldaten.

In meiner Rezension (Rundschau vom 20. Oktober, www.wuppertaler-rundschau.de) bin ich nicht darauf eingegangen, weil es sich aus meiner Sicht um ein Detail der Regie handelt, das nicht besonders gelungen ist, aber keine wesentliche Bedeutung hat.

Insgesamt, so war mein Eindruck, bemüht sich die Produktion um ein sehr würdevolles China-Bild in historischen Kostümen, in Wuppertal gestützt durch ein ambitioniertes Dirigat, das jenseits der üblichen Klischees Lehárs "chinesische" Musik sehr ernst nimmt.

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Natürlich stimmt der Vorwurf, dass die Regie völlig unkritisch, ja bewusst naiv mit den dramaturgischen Schwächen des Stückes umgeht. Darf sie das? Nein, sagt Stefan Keim, eine Inszenierung muss zu den "schwierigen" Momenten einer Oper oder Operette Stellung beziehen. Doch, sagt Intendant Berthold Schneider. Zumindest in diesem Fall. "Das ist natürlich keine Inszenierung, in der wir über das heutige China und seine Menschen reden. Die Operettenhandlung zeichnet ein historisierendes Bild, und das gibt die Aufführung ungebrochen wieder. Meiner Meinung nach ist das Stück nicht rassistisch, und daher ist auch kein 'Kommentar‘ der Regie nötig." Die mache sich ja über beide Welten gleichermaßen lustig, die chinesische wie auch die Wiener Hofgesellschaft in ihrer jeweiligen zeremoniellen Erstarrung. "Wenn das Theater sich so etwas nicht mehr traut, geht viel verloren." Es ärgere ihn auch, so Schneider zur Rundschau, dass dem Publikum hier unterstellt werde, es könne solche Szenen nicht entsprechend einordnen.

Nun ist die Inszenierung ja gar nicht neu. Sie ist bereits 2015 in Erfurt gespielt worden — und sogar in Hongkong. Anstoß daran genommen habe bisher niemand, sagt Regisseur Guy Montavon, der Intendant am Theater Erfurt ist, gegenüber der Rundschau. "Die Überspitzung von Figuren gehört in der Operette einfach zum Genre."

Tatsächlich gehört es seit je zum guten Ton der Operette, sich über die Mächtigen lustig zu machen. Warum also nicht auch über die Mächtigen in China? Aber bestimmte Bilder wie die hier strittigen transportieren eben mitunter auch ungewollt ihre eigene Botschaft. Die Wahrheit, so scheint's, liegt einmal mehr im Kopf des Betrachters: Ob es sich um harmlosen Klamauk oder interkulturelle Geschmacklosigkeit handelt (der Begriff "Rassismus" ist wohl doch ziemlich hoch gegriffen), das wird jeder für sich entscheiden müssen.
Was lernt man daraus? Einer komplexen Kunstform wie der Oper, immer ihrer Entstehungszeit verhaftet und daher oft aus heutiger Sicht politisch unkorrekt, ist mit "klassischen" Inszenierungen nah am Textbuch nicht so leicht beizukommen. Ein Thema, mit dem man Symposien füllen kann. Und so harmlos, wie die Gattung Operette meist gesehen wird, ist sie offenbar gar nicht.