Musical „Cinderella“ im Opernhaus Gnadenlos familientauglich

Wuppertal · Das eigentlich zu Recht vergessene Musical „Cinderella“ feiert im Wuppertaler Opernhaus Premiere.

Cinderella und der Prinz finden sich nett.

Foto: Björn Hickmann

Wie macht man Musiktheater für die ganze Familie? Man nehme einen bekannten Märchenstoff, in diesem Fall das „Aschenputtel“, amerikanisch „Cinderella“. Wer den nicht kennt, kann ihn im Programmzettel nachlesen oder sich vor der Aufführung im Foyer erzählen lassen, und per Übertitel werden nicht nur die Texte der Songs eingeblendet, sondern auch erklärt, was auf der Bühne gerade passiert. Da sollte selbst der mal wieder PISA-geschockte und vermeintlich minderbemittelte deutsche Nachwuchs gerade noch mitkommen. Denn die Story ist, nun ja, eher unterkomplex.

Diese „Cinderella“ von 1957 ist nämlich ein wenig in die Jahre gekommen. Die Musik von Richard Rogers klingt singspielhaft bieder, manche Songs könnten ohne Schlagzeug auch als Volks- oder Kinderlieder durchgehen.

2013 hat Stuart Carter Bean das ursprünglich für das Fernsehen konzipierte Stück für den Broadway überarbeitet und ein wenig gegenwartstauglicher gemacht. Dazu hat er einen Revoluzzer namens Jean-Michel hinzuerfunden, der den König umgehend zum guten Menschen macht. Dieser Jean-Michel ist selbst so wahnsinnig toll, dass sich eine von Cinderellas bösen Stiefschwestern in ihn verliebt und gar nicht mehr böse ist.

Die Botschaft ist von bestürzender Schlichtheit: Sei Du selbst, dann kannst Du alles erreichen. Ach, wenn die Welt doch so einfach wäre! Damit sei nichts gegen das Genre „Musical“ gesagt, aber zwischen „My Fair Lady“ und dem „Phantom der Oper“, zwischen „Fame“ und „Chess“ gibt es eben viel, viel bessere Stücke als diese völlig selbstironiebefreite „Cinderella“.

Die Inszenierung von Christian Thausing sieht aus wie ein klassisches Kinderweihnachtsstück. Ella (so heißt die tapfere Heldin, das Wort „Cinder“ – englisch für „Asche“ – wird als Beleidigung von der bösen Stiefmutter davorgesetzt) ist ein Mädchen von heute, das sich in eine Märchenwelt hineinträumt. Ein Mädchen aus Wuppertal – das steht in der Inhaltsangabe, aber man sieht es nicht auf der Bühne, und ohnehin ist dieses Mädchen eine durch und durch klischeehafte Kunstfigur. Susann Ketley spielt sie sympathisch (und singt sie mit zu kleiner, im Piano wackliger Stimme).

Das Bühnenbild besteht aus verschiebbaren Wänden, die ein wenig nach dem begrenzten Etat eines Laientheaters aussehen. Allein Ellas Auftritt auf dem Ball per Heißluftballon verbreitet besonderen Theaterzauber.

Gespielt und gesungen wird mittelprächtig, und da ist man doch ganz froh, dass das Ensemble fast ausschließlich aus Gästen besteht. Haben die Wuppertaler Bühnen eigentlich ein eigenes Ensemble? Es wäre ja doch ganz schön, das mal auf der Bühne zu erleben, nachdem auch „Tristan und Isolde“ fast ausschließlich mit Gastsängerinnen und -sängern bestritten wurde.

Ein Tanzensemble schlägt sich einigermaßen tapfer in der ziemlich einfallslosen Choreographie von Evamaria Mayer. Den mit Abstand besten Eindruck hinterlassen Opernchor und Orchester – von Kapellmeister Johannes Witt souverän dirigiert.

Ungeachtet des jubelnden Premierenpublikums: Wer eine wirklich coole Cinderella sehen möchte, ist bei „Drei Nüsse für Aschenbrödel“, dem längst Kult gewordenen tschechischen Spielfilm von 1973, besser aufgehoben. Der läuft Weihnachten in diversen Fernsehprogrammen – und hat im Zweifelsfall auch die bessere Musik.