1. Kultur

Opernhaus: Kleines Ensemble ganz groß

Opernhaus : Kleines Ensemble ganz groß

Nach Molières Komödie "Tartuffe" bringt Maik Priebe Bertolt Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" mit dem Schauspiel auf die Bühne des Opernhauses. Schwere Kost, die der Regisseur und sein Team mit leichter Hand in ein Theatererlebnis für alle Sinne verwandeln.

Brecht schrieb sein Stück vor über 70 Jahren, schildert die Zustände in seiner fiktiven Stadt Sezuan, die kurz vor dem Untergang steht, in der Menschen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, Menschlichkeit längst auf der Strecke geblieben ist.

Die rhetorische Frage des Autors, ob und wie ein guter Mensch in dieser Gesellschaft überleben kann und wie eine Gesellschaft sein müsste, damit alle zu ihrem Recht kommen, bleibt bis heute unbeantwortet und macht diesen Text in einer Zeit, in der die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, Menschen vor Krieg und Terror fliehen, täglich Kinder an Unterernährung sterben, neue Diktatoren nach der Macht greifen, so brennend aktuell.

Von Beginn an setzt Priebe auf ein hohes Tempo, setzt auf die gelungene Kooperation mit dem Tanzhaus Wuppertal und hetzt in der Choregraphie von Silvia Zygouris die jungen, professionellen Tänzer über die Bühne, verlangt auch den Schauspielern körperlich einiges ab.

Das Ganze unterlegt der musikalische Leiter Stefan Leibold mit einer phantastischen Klangcollage aus der Musik von Paul Dessau und eigenen Zusatzmusiken.

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Bühnen- und Kostümbildnerin Susanne Maier-Staufen baut als Bühnenbild eine schräge Rampe, von der die Akteure ständig ins Bodenlose abzustürzen drohen, kommt mit wenigen Requisiten und angedeuteten Kostümen aus. Anders wäre der schnelle Kostümwechsel gar nicht zu bewältigen, denn die Schauspieler müssen zum Teil bis zu vier Rollen bewältigen.

Kein Problem für das Ensemble, dem man die intensive Auseinandersetzung mit dem Brecht-Text anmerkt. Jedes Wort kommt klar und nuanciert über die Rampe, erhält so eine seltene Schärfe. Trotz der Vielzahl der Figuren hat Priebe jede pointiert herausgearbeitet, was dem eher theoretischen Stück auch anrührende Momente entlockt.

Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung ist die junge Schauspielerin Lena Vogt, die zur Entdeckung des Abends wird. Sie bewegt sich zwischen Gut und Böse, gibt die gefühlvolle, hilfsbereite Shin Te, die von den Göttern auserkoren wird, Gutes zu tun, und ist im nächsten Moment der nur auf seinen Vorteil bedachte Vetter Shui Ta. Diese Wandlung braucht keine Maske, Brille und Haargummi reichen, den Rest schafft Vogt über Mimik und Körpersprache.
Stefan Walz überzeugt als Wasserverkäufer Wang, der an die Götter glaubt, später an seinem Glauben verzweifelt. Philippine Pachl und Alexander Peiler schaffen den Spagat zwischen gleich vier Rollen.
Miko Greza sorgt unter anderem als tuntige Vermieterin für witzige Momente, Lukas Mundas ist der Flieger Yang Sun und Julia Reznik stellt erneut ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis, überzeugt durch die stimmige Interpretation eines Songs von Paul Dessau.

Ein kleines Ensemble, das großes Theater kann, sich auf der Bühne der Oper wohl fühlt, lustvoll und mitreißend spielt und zeigt, dass man von der Sparte Schauspiel auch in Zukunft viel erwarten darf.