Bergische Uni Wuppertal Karl Otto Mühl: 35 Regalmeter Leben und Werk

Wuppertal · Interview mit Uni-Bibliotheksdirektor Uwe Stadler über den Nachlass des Dramatikers Karl Otto Mühl an der Bergischen Universität Wuppertal.

Uni-Bibliotheksdirektor Uwe Stadler.

Uni-Bibliotheksdirektor Uwe Stadler.

Foto: Sebastian Jarych

Herr Stadler, am 16. Februar wäre der Wuppertaler Dramatiker Karl Otto Mühl 100 Jahre alt geworden. Sie haben ihn persönlich kennengelernt. Wie würden Sie ihn beschreiben?

Stadler: „Ich habe Herrn Mühl tatsächlich ein paar Mal getroffen, vor allem anlässlich der Unterzeichnung des Depositalvertrages (Ein Depositum ist ein in einem Archiv hinterlegtes Archivgut, Anm. d. Red.), den Herr Mühl mit der Bergischen Universität geschlossen hat.

Es geht also um die Hinterlegung des Nachlasses – Karl Otto Mühl ist ja bereits ein Jahr nach der Unterzeichnung dieses Vertrages 2020 gestorben – der 2019 in Anwesenheit von Dr. Dagmar Mühl-Friebel, seiner Frau und Herrn Prof. Dr. Michael Scheffel, des damaligen Prorektors, vereinbart wurde. Er war ein sehr starker, angenehmer Mensch mit einer persönlichen Verschmitztheit, sehr verbindlich im Gespräch, aber auch zurückhaltend.“

Mühl schrieb Theaterstücke Romane, Gedichte und Hörspiele. Seinen Nachlass überließ er 2019 der Bergischen Universität. Wie umfangreich ist er?

Stadler: „Der ganze Vor- und Nachlass, der uns in diesem Vertrag übergeben wurde beträgt zum Beispiel 18 Meter Archivkarton mit Entwürfen und Manuskripten seiner Stücke und Romane, also ein sehr umfänglicher Nachlass, den wir natürlich auch zu gegebener Zeit, zusammen mit den hiesigen Fachleuten aus der entsprechenden Fakultät, bearbeiten werden.

Zudem gibt es eine Korrespondenz mit Freunden, das dürften etwa zwei Regalmeter sein, also sortierte Kartons, die sehr persönlich sind. Mit diesen persönlichen Archivalien muss man dementsprechend umsichtig umgehen, denn da gibt es Persönlichkeits- und Urheberrechte zu beachten.

Dazu kommen noch ca. zehn Meter Monografien, die aus Mühls eigener Privatbibliothek stammen, die er gelesen hat und aus denen er auch Material für seine eigenen Entwürfe gefunden hat. Dann gibt es noch sieben Kästen mit Fotos. Also eine schöne und umfangreiche Sammlung in Summe, die zusammen bestimmt 30 bis 35 Regalmeter in der Bibliothek ausmacht.“

Mühl geriet im Zweiten Weltkrieg in Kriegsgefangenschaft und schrieb damals seine ersten Theaterstücke. 1944 machte er in den USA die Bekanntschaft des ebenfalls kriegsgefangenen Schriftstellers Tankred Dorst, mit dem er ab 1947 Mitglied in der Wuppertaler Künstlergruppe „Der Turm“ war. Das heißt, so ein Nachlass ist sowohl für Literaturwissenschaftler als auch für Historiker interessant, oder?

Stadler: „Das sehe ich genauso. Tatsächlich denke ich aber, in Bezug auf die Vorgeschichte zur Übergabe des Nachlasses, dass es in erster Linie darum gehen wird, dass sich die entsprechenden Fachleute aus den Philologien damit beschäftigen werden. Die ersten Kontakte zu Herrn Mühl wurden durch Prof. Dr. Andreas Meier hergestellt, der ihn schon länger kannte. Herr Scheffel als Fachmann für Editionswissenschaften, zusammen mit vielen anderen Professorinnen und Professoren an der hiesigen Universität, ist sicherlich auch ein ganz wichtiger erster Ansprechpartner. Wir werden zunächst aus literaturwissenschaftlicher Sicht zusammen mit der Fakultät das Thema angehen. Inwieweit es dann auch historische Relevanz hat, werden zukünftige Gespräche klären.“

Seinen Durchbruch hatte Mühl erst spät. 1974 veröffentlichte er das Drama „Rheinpromenade“, welches bundesweit inszeniert wurde. Wer wird denn eigentlich Zugang zu seinem Archiv haben?

Stadler: „Das haben wir tatsächlich auch als Teil des Vertrages definiert. Da heißt es: ,Der Vertragszweck dieses Depositums sieht unter anderem vor, dass wir die Unterlagen als Bibliotheks- bzw. Archivgut übernehmen und sie der öffentlichen Nutzung zugänglich machen werden.‘ Das ist ein wichtiger Punkt, denn ich weiß, sowohl von Herrn Mühl selber, als auch von seiner Frau, dass es ein wichtiges Anliegen ist und war, die Unterlagen entsprechend auch der Allgemeinheit, insbesondere natürlich für Forschungszwecke, zur Verfügung zu stellen.

Ein wichtiger Bestandteil des Vertrages ist darüber hinaus die freigegebene Erschließung der Unterlagen in Form von Digitalisierung und Verfilmung, das heißt, wir können aus diesen Unterlagen Digitalisate erstellen, um dann, soweit es die rechtlichen Möglichkeiten zulassen, das Maximum der Zugänglichkeit anzubieten.“

Wie oft kommt es vor, dass eine Universität einen Nachlass erhält, und wie bereitet die Bibliothek so etwas für Nutzer auf?

Stadler: „Das ist standortspezifisch sehr unterschiedlich. Es gibt Universitäten und Bibliotheken, die spezialisierter auf Nachlässe sind wie zum Beispiel das Deutsche Literaturarchiv in Marbach (DLA), welches eine Standardstelle für den Nachweis unter anderem deutschsprachiger Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist. Dort sind auch schon einzelne Stücke von Karl Otto Mühl hinterlegt. Bei uns in Wuppertal kommt es nicht ganz so häufig vor.

Wir hatten durch Ankauf von der Deutschen Forschungsgemeinschaft den Nachlass des irischen Schriftstellers Walter Mäcken erhalten, den wir bei uns im Magazin verwahren und für die Forschung zur Verfügung stellen. Die Digitalisierung steht da noch aus. Ansonsten haben wir schon einige Gespräche mit anderen Autoren geführt, die sich sehr interessiert gezeigt haben und vielleicht mit der Unibibliothek kooperieren.“

Mühl engagierte sich schriftstellerisch auch sozial. Er brachte am Bergischen Kolleg Jugendlichen in einer Schreibwerkstatt das Schreiben bei und organisierte mit anderen Beteiligten Lesungen in Wuppertaler Altenheimen. 2020 starb er. Wie erinnern wir uns an ihn?

Stadler: „An eine sehr offene, an gesellschaftlichen und sozialen Dingen interessierte Persönlichkeit. Interessant ist tatsächlich, dass er als Wuppertaler Schriftsteller auch seinen Wuppertaler Verlagen immer stets verbunden geblieben ist. Früher hat er im Hammer Verlag, in den letzten Jahren auch im Nordpark Verlag, der von unserem früheren Bibliotheksmitarbeiter Alfred Miersch betrieben wird, veröffentlicht. Er hatte eine lokale aber auch regionale Ausstrahlung und wird sicherlich in sehr guter Erinnerung bleiben.“

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