Fürs Wuppertaler Schauspiel hat Regisseur Henner Kallmeyer im Theater am Engelsgarten daraus ein düster beleuchtetes, mager bühnenbebildertes Skelett-Stück gemacht. Es lebt allein vom Text – und den zwei Männern, die ihn sprechen, ihn (aus-)leben. Thomas Braus ist der blinde Hausherr Hamm, der im Schiebestuhl sitzt. Kevin Wilke sein Diener Clov, steifbeinig, kaum gehfähig – und mit nur einem Schuh.
Ein Fest fürs Auge sind die Kostüme (Silke Rekort): Hamm ist à la Barock-Rokoko gekleidet, Clov wie zu Shakespeares Zeiten. Verfilzt, leicht heruntergekommen, sozusagen „angefressen“ sind beide. Innerlich wie äußerlich.
Dass da noch Hamms Eltern Nagg und Nell sind, die in zwei Mülleimern am Bühnenrand leben, spielt kaum eine Rolle. Außer bei einem Handpuppen-Witzdialog über das Schneidern einer Hose und die Erschaffung der Welt.
Dieses Wuppertaler „Endspiel“ versucht immer wieder, das deprimierende Thema „Apokalypse, was nun?“ durch Humor und etwas Slapstick aufzubrechen. Zu lachen gibt’s trotzdem kaum etwas. Warum auch?
Draußen scheint keine Sonne mehr, Tiere leben kaum noch welche, nur von einem Floh und einer Ratte ist die Rede, Zwieback ist die einzige Speise. Immer wieder muss Clov auf die Leiter steigen, um durch die Sichtschlitze des Bunkers nach draußen zu spähen. Doch zu sehen gibt es nichts. Weil es ja nichts mehr gibt. Am Ende sogar keine Beruhigungspillen mehr.
Der Kampf zwischen den beiden Männern, die auf verbitterte Weise voneinander nicht lassen können, prägt das Spiel. Hamm will herrschen über Clov, und über das bisschen Welt, das da drinnen noch ist. Clov will fort von Hamm – und kann es doch nicht. Außer am Ende: Da steht er plötzlich mit einem Koffer und zweitem Schuh, schweigt, lässt Hamm keifen und rufen. Aber wird er wirklich gehen?
Thomas Braus spielt den elend unsympathischen, aber unendlich einsamen Hamm mit brutaler Messerschärfe. Kevin Wilke hält mit bitterer Ironie und lässigen Lügen dagegen. Ein starkes Paar sind sie. Halten den Bogen in dieser Finsternis. Deklamieren aufeinander ein. Wetzen ihre Säbel aneinander. Sind sie Schauspieler, die Schauspieler spielen? Oder einfach nur verlorene Seelen? Letzteres auf jeden Fall.
„Endspiel“ stammt vom Ende der 50er Jahre. Ist wohl entstanden unter dem Eindruck des Lungenkrebs-Todes von Becketts Bruder Frank, den der Dichter selbst am Ende noch pflegte. Es gibt viele Ansätze, um dieses verkapselte Stück und seinen verschlüsselten Text zu lesen: Abhängigkeit, Angst, Demütigungslust, Leidensfähigkeit, das Warum-auch-immer-nicht-ohne-einander-Können. Und draußen gibt’s keine Welt mehr, um in sie zu fliehen.
Starker Tobak in der Vorweihnachtszeit. Aber das Leben nimmt ja auch keine Rücksicht. Warum also sollte es ein Bühnen-Spielplan tun?
Eins weiß man aber, wenn man, auf seltsame Weise leergepumpt, wieder draußen ist in der verregneten Wuppertal-Welt: Dass man gerade zwei Männer gesehen hat, die das wirklich können – Theaterspielen.