Nach Toreschluss - die Wochenendsatire 40 % VR + knusprig

Wuppertal · Weil April in Wuppertal der neue Juni ist, sitzen in der Stadt jetzt alle wieder draußen und trinken Kaffee. Beziehungsweise hippe Sachen wie Chai Latte oder Cold Brew, die ältere Wuppertaler nicht kennen und aus fremdsprachlichen Gründen schon gar nicht bestellen können, weil das junge Personal wahrscheinlich nicht ahnt, was mit „Kolltbreff“ gemeint ist.

Symbolbild.

Foto: NGG

Natürlich ist die Erweiterung des Angebotsspektrums um trendstarke Heißgetränke, die bei sehr warmem Wetter wahlweise auch kalt serviert werden, grundsätzlich sehr zu begrüßen. Wobei selbst ich gelegentlich ratlos vor der Frage stehe, worin genau der Unterschied zwischen einem Cappuccino, einem Flat White, einem Milchkaffee und einem Latte Macchiato besteht.

Im Preis tun sie sich jedenfalls nicht viel – inzwischen kosten einschlägige Kreationen oft so viel, als hätte der zuständige Barista die Kaffeebohnen einzeln mit dem Ruderboot über den Atlantik transportiert. Dafür ist in der Tasse aber auch weniger drin als früher.

Die Verwirrung wird übrigens noch entscheidend durch die Tatsache vergrößert, dass man mittlerweile eine beträchtliche Auswahl im Hinblick auf die im Kaffee oder Tee zu verbauende Milch hat. Das ist erforderlich, weil es immer mehr Menschen mit Laktoseintoleranz und Veganer gibt, auf die sich gewissenhafte Cafés natürlich einstellen. Deshalb gibt es mittlerweile Milch aus Mandeln, Soja, Hafer und ausweislich mancher Farbvarianten wahrscheinlich auch aus zerriebenen Fußnägeln.

Als Kind der Generation „draußen nur Kännchen“, das höchstens die Wahl zwischen Büchsenmilch und normaler hatte, finde ich diese Kundenorientierung großartig, auch wenn ich an ihr nicht teilnehme und bei einschlägigen Abfragen durch Servicekräfte mit meiner Antwort „Kuhmilch, bitte“ oft großes Erstaunen auslöse. Ich warte auf die erste Kellnerin, die ein Selfie mit mir machen will, weil die so lange keiner mehr bestellt hat.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Die Sensibilität im Hinblick auf Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und die Ernährung ganz allgemein hat ohnehin einen neuen Höhepunkt erreicht. Kaum vorstellbar, dass Eltern ihrem Nachwuchs noch vor wenigen Jahrzehnten Faustregeln wie „Dreck reinigt den Magen“ mit auf den Weg gaben und diese Kinder trotzdem teilweise bis heute überlebt haben.

Inzwischen wollen alle ganz genau wissen, was genau wo drin ist und warum und ob man nach dem Verzehr wirklich nicht innerhalb von fünf Minuten ins Krankenhaus muss. Ein Highlight war für mich vor diesem Hintergrund diese Woche die Kreidetafel vor einer für hochpreisiges Gekörn bekannten Wuppertaler Bäckerei, auf der folgendes Angebot gemacht wurde: „Kleiner Elberfelder 40 % VR + knusprig 40 % R 20 % V 500 g 3,25 €.“

Das hat möglicherweise nicht nur mich tendenziell ratlos zurückgelassen. Wahrscheinlich hat die Bäckerei genau deshalb sicherheitshalber noch was dazugeschrieben. Nämlich: „lecker Brot“. Finde ich irgendwie etwas griffiger, oder?

Bis die Tage!