Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Mehr Licht?

Wuppertal · "Mehr Licht!" sollen ja Goethes letzte Worte gewesen sein. Das könnte daran gelegen haben, dass er nicht im Kiesbergtunnel gestorben ist. Da gibt es jetzt nämlich zu viel Licht. Früher war die Fahrt durch den Kiesbergtunnel eine verkehrstechnische Wohltat: Einen Kilometer lang umfing einen beruhigendes Halbdunkel, in dem man auf einer maximal breiten Fahrspur mit riesigem Abstand zu den Tunnelwänden gemütlich Richtung Innenstadt tuckern konnte.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Eine Aufgabe, die sogar für vierjährige Autofahrer mit EN-Kennzeichen absolut lösbar war.

Jetzt ist der Tunnel sicherheitstechnisch ertüchtigt worden und dadurch praktisch nicht mehr befahrbar. Straßen.NRW hat nämlich sämtliche auf dem deutschen Markt verfügbaren LED-Leuchten aufgekauft und auf dem Tunnelboden entlang der Fahrspur sowie an den Wänden installiert. Bei der ersten Einfahrt nach der Wiedereröffnung war ich davon so geblendet, dass ich auf der Suche nach der Sonnenbrille im Handschuhfach fast in die auch noch da rumstehenden Warnbaken gerasselt wäre. So ein Lichtblitzgewitter habe ich das letzte Mal beim "AC/DC"-Konzert in der Schalke-Arena gesehen. Bei der Passage fühlt man sich deshalb so, als wäre man nicht mit Tempo 60 in einem Auto, sondern mit dreifacher Lichtgeschwindigkeit in einem leichten Raumkreuzer unterwegs. In Kürze kommt das Ganze bestimmt auch als Computerspiel "Kiesbergtunnel 2" auf den Markt. Außerdem soll der Tunnel in "Osram-Röhre" umgetauft werden.

Während man im Kiesbergtunnel wegen zu viel Licht nichts sieht, sieht man in den Tunneln der Nordbahntrasse wegen zu wenig Licht nicht viel. Wer schon mal selbst mit dem Rad da unterwegs war, kennt das Problem: Wenn man aus der prallen Sonne und am besten noch mit dunkler Brille auf der Nase in die aus Fledermausschutzgründen mehr oder weniger stockdunklen Schlünde einfährt, ist man erstmal blind wie ein Maulwurf, nur erheblich schneller. Deshalb sollen Radfahrer da Licht anmachen, was 30 bis 40 Prozent nicht tun. Bei vielen könnte das unter anderem daran liegen, dass sie gar keine Lampe haben. Weil die Trasse jetzt offiziell ein Verkehrsweg ist, zahlen diese Dunkelmänner demnächst 20 Euro Strafe, wenn sie erwischt werden. Darauf hat die Polizei nun hingewiesen.

Auf Wunsch der "Wuppertalbewegung" hat sie sich übrigens auch mit der erstaunlichen Frage beschäftigt, ob Fußgänger auf der Trasse möglicherweise ebenfalls beleuchtet sein müssen. Die Antwort hat das Zeug zur Aufnahme in die Hall of Fame des Verwaltungsdeutsch. Sie lautet:
"Sollte das unbeleuchtete Wandeln von Fußgängern im schwach beleuchteten Tunnel besondere Verkehrsgefahren hervorrufen, ist im Sinne der Verkehrssicherung eine ausreichende Beleuchtung zugunsten der Verkehrssicherheit herzustellen. Anderenfalls wäre die Benutzung durch die Verkehrsart Fußgänger auszuschließen."

Brauchen wir neben dem Artenschutz für die Fledermäuse jetzt auch Verkehrsartenschutz für Fußgänger? Und regulieren wir die Trasse am besten so lange, bis sie aus Sicherheitsgründen endgültig für alle Verkehrsarten inklusive Geschlechtsverkehr in den Büschen gesperrt wird? Das ist doch Blödsinn. Ich sage: Es reicht völlig, wenn den Radfahrern endlich ein Licht aufgeht. Wer mehr will, hat die Lampe an. Das hätte Goethe garantiert auch nicht anders gesehen.

Bis die Tage!

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