Helios Klinikum Moderne Methode entschlüsselt das Reizdarmsyndrom

Wuppertal · Mindestens jeder Zehnte in Deutschland leidet unter der schwerwiegenden Störung der Verdauung mit dem harmlos klingenden Namen. Doch weil die Diagnose so schwierig ist, fällt das Reizdarmsyndrom (RDS) oft gar nicht auf. Das Helios Klinikum Schwelm setzt dabei auf ein modernes Verfahren: CLE-Fast.

Von li.: Dr. Carsten Meibaum (Chefarzt am Helios Klinikum Schwelm und Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Notfallmedizin), Marc Nolzen (Oberarzt der dortigen Medizinischen Klinik II / Gastroenterologie) und Wojciech Janusz Sluszniak (Leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik II / Gastroenterologie).

Foto: Helios Klinikum Schwelm/Michael Mutzberg

Luise Kerner (Name geändert) ist schon als Kind sehr empfindlich, was Essen und Trinken angeht. Sie lernt früh, sich bewusst und gesund zu ernähren, verzichtet auf belastende Speisen und treibt regelmäßig Sport. Den Darm reizende Stoffe wie Koffein und Glutamat meidet die heute 49-Jährige konsequent. Trotzdem stellen sich ihr vor drei Jahren plötzlich unerklärliche Beschwerden ein.

„Eines Nachts bekomme ich von jetzt auf gleich starke Unterleibskrämpfe und Durchfall. Und das nicht nur einmal, sondern von da an fast jede Nacht. Dazu kamen stark riechende Blähungen“, beschreibt Luise Kerner ihre lang anhaltenden Beschwerden und will dabei anonym bleiben. Gerade der letzte Punkt sei sozial sehr stigmatisierend, wenn von einem ständig ein unangenehmer Geruch ausgehe, den man nicht kontrollieren kann, sagt sie.

In dieser Nacht beginnt eine Leidenszeit, denn lange nimmt niemand sie ernst. „Als Frau um die 50 fühle ich mich manchmal von der Schulmedizin nicht wirklich gesehen“, berichtet Luise Kerner. Häufig würden ihre Beschwerden vorschnell mit den Wechseljahren erklärt.

Ein langer Weg bis zur Diagnose

Nach gut einem Jahr medizinischer Abklärungen, darunter Magen- und Darmspiegelungen sowie ein Allergietest, bleibt der erhoffte Befund zunächst aus. Ein Atemtest ergibt schließlich Hinweise auf eine Fruktose-Intoleranz. „Vermeiden Sie am besten Obst und Gemüse“, erinnert sie sich an die Empfehlung des damaligen Facharztes. Sie richtet sich so gut es geht nach dieser Diagnose ein, verzichtet jedoch zunehmend auf soziale Kontakte, aus Sorge, etwas Falsches zu essen und die Kontrolle über ihre Darmfunktionen zu verlieren.

In ihrem Beruf kann sie zu Ihrem Glück von zu Hause aus arbeiten. Dennoch verliert die ohnehin schlanke Frau weiter an Gewicht und verspürt ständig Hunger. Erst Anfang des Jahres findet sie mit einem Termin in der Reizdarmsprechstunde am Helios Klinikum Schwelm neue Hoffnung. Dort setzt man auf die sogenannte Laser-Endomikroskopie (CLE-FAST) – ein modernes, technisch anspruchsvolles Verfahren zur Diagnostik bei Reizdarmbeschwerden. Damit können Ärztinnen und Ärzte in Echtzeit mikroskopische Bilder der Darmschleimhaut erzeugen.

Diese hochpräzise Diagnostik wird bislang nur an spezialisierten Einrichtungen eingesetzt – der Grund dafür liegt vor allem im hohen technischen Aufwand, den besonderen Gerätschaften und der erforderlichen spezialisierten Ausbildung. Der große Vorteil gegenüber herkömmlichen Methoden: Schleimhautveränderungen und mögliche Entzündungszeichen lassen sich direkt erkennen und gezielter weiter abklären.

„Letztlich geht es darum, die Nadel im Heuhaufen zu finden, nämlich den Stoff, der am Ende der Auslöser für den Reizdarm ist – oder ob man als Arzt in eine ganz andere Richtung denken muss“, erklärt Dr. Carsten Meibaum (Chefarzt am Helios Klinikum Schwelm und Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Notfallmedizin). Dazu müsse man ein Ausschlussverfahren anwenden und gerade das mache das Verfahren so komplex.

Das bedeutet, dass bei Patienten zunächst die gängigen Magen- und Darmspiegelungen gemacht werden und zugleich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit auf konventionellem Weg ausgeschlossen werden muss. „Haben wir bis hierher noch nichts gefunden, kommt CLE-Fast zum Einsatz. Wir machen mikroskopische Echtzeit-Aufnahmen der Darmschleimhaut.“, sagt Marc Nolzen (Oberarzt der Medizinischen Klinik II / Gastroenterologie).

Übeltäter Hühnerei – auf Spurensuche per Ausschlussverfahren

„Bei Frau Kerner haben wir zunächst eine schonende Diät vorgeschaltet, damit sich der Darm beruhigen und resetten kann. Als dieser Zustand erreicht war, haben wir den Darm und sein Mikrobiom mit einer speziellen Spüllösung sanft gereinigt, um ihn auf die Therapie vorzubereiten. Danach haben wir gezielt nacheinander zehn gängige Nahrungsmittel in aufbereiteter, flüssiger Form mit einem Schlauch über die Speiseröhre in den Dickdarm injiziert und mit einer Kamera die Reaktion darauf aufgenommen“ erklärt sein Kollege Dr. Meibaum die Herangehensweise, für die die Patientin narkotisiert wurde und zwei Tage stationär vor Ort bleiben musste.

„Als ich aufwachte und wir das Ergebnis besprachen, hieß es gleich, wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie“, blickt Luise Kerner auf den Moment zurück, als sie endlich die langersehnte Diagnose erhält. Die gute: Gleich das erste getestete Nahrungsmittel war ein Volltreffer. Die schlechte: dabei handelte es sich um Hühnerei. Ein Lebensmittel, das in vielen Produkten enthalten ist, auch da, wo man es auf den ersten Blick gar nicht vermutet. Das was so lange unerkannt ihre Verdauung störte und so unspezifische Symptome auslöste, war gefunden. Und mit ihm der Auslöser ihres RDS.

Bei der großen Anzahl von Betroffen, Schätzungen gehen von zehn bis 15 Millionen aus, die teilweise massiv litten, sei es wünschenswert, dass die Verbreitung von CLE-Fast in Deutschland schnell schneller vonstattengehe als bislang, so Dr. Meibaum. „Denn wenn man den Auslöser des RDS gefunden hat, können aus meiner Sicht 95 Prozent der Patienten wieder ein beschwerdefreies Leben führen – Wenn sie den Auslöser meiden.“

So wie Luise Kerner. Sie müsse zwar jetzt auf eine Vielzahl von Lebensmitteln verzichten, aber die wiedergewonnene Lebensqualität durch die CLE-Fast-Therapie sei das Wert. „Alleine schon nachts wieder erholsamen Schlaf zu finden, ist ein Geschenk und die Basis für ein gesundes Leben.“