„Career Story“ von Andrea Voß-Acker „Mensch, wir können das doch mal versuchen“

Wuppertal · Die Wuppertaler Grafikerin Andrea Voß-Acker hat die Gründung ihrer eigenen Firma nie bereut. Das Studium hat sie als große Chance gesehen, viele Erfahrungen zu sammeln. So rät sie auch Studierenden von heute, möglichst viel auszuprobieren und nicht nur die Scheine im Kopf zu haben.

 Andrea Voß-Acker an ihrem Arbeitsplatz: ein lichtdurchflutetes, ausgebautes Dachgeschoss.

Andrea Voß-Acker an ihrem Arbeitsplatz: ein lichtdurchflutetes, ausgebautes Dachgeschoss.

Foto: UniService Transfer

Ihr Arbeitsplatz ist ein lichtdurchflutetes, ausgebautes Dachgeschoss in einer Neubausiedlung in Ronsdorf. Hier sitzt die Diplom-Kommunikationsdesignerin Andrea Voß-Acker jeden Tag an einem modernen, funktionalen Schreibtisch mit ihrem wichtigsten Arbeitsgerät, dem Mac. Seit 2001 ist sie selbstständig. Ihre Schwerpunkte liegen im Printbereich der Visuellen Kommunikation. Neben Broschüren, Magazinen und Büchern entwickelt sie auch Logos, Corporate Design, Plakate und im Auftrag des Finanzministeriums immer mal wieder Briefmarken. Das alles von der Konzeptentwicklung über die grafische Gestaltung, den Entwurf, dem Layout bis hin zur fertigen Druckvorlage.

Von der Industriekauffrau zur ordentlichen Studentin

Dabei war nicht von vornherein klar, dass sie diesen Weg gehen würde. „Ich habe vor dem Studium schon zwei Berufsausbildungen abgeschlossen“, sagt die gelernte Industriekauffrau. „Ich wollte das aber nicht ein Leben lang machen“, fügt sie hinzu. Kreativ will sie sein und da ihr damals noch das Abitur fehlt, verknüpft sie dies mit einer Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin für Medien und Kommunikation. Nach einem Praktikum in einer Werbeagentur ist klar: „Genau das will ich machen, und auch gerne in Wuppertal.“

Voß-Acker bewirbt sich an der Bergischen Universität, erhält einen Studienplatz und nimmt ihr Studium auf. „Am Anfang, als ich studiert habe, habe ich viel gezeichnet, habe mit Illustration und Fotografie angefangen und bin dann aber umgeschwenkt auf Typografie und Layout.“ Wie bei vielen anderen Kommilitonen entwickelt sich ihr Schwerpunkt im Laufe der Semester. Im Hauptstudium, als es um die Umsetzung realer Projekte geht, widmet sie sich vor allem der Visuellen Kommunikation. „Das konzeptionelle und das komplexe Gestalten war dann eher mein Ding“, erinnert sie sich. „Ich habe ziemlich lange und ausgiebig studiert, um die vielseitigen Angebote des Studiengangs zu nutzen. In dieser Zeit hatte ich die Möglichkeit, alles zu machen, was mich interessiert, Spaß gemacht und weitergebracht hat. Vor allem reale Projekte, die häufig als Wettbewerbe ausgeschrieben werden, sind eine sehr gute Gelegenheit, sich auf die Zeit nach dem Studium vorzubereiten.“

In dieser Zeit setzt sie zusammen mit einer Kommilitonin eine große Werbekampagne für das bizeps-Projekt (Gründungsinitiative der Bergischen Universität) um, nimmt an drei Briefmarkenwettbewerben teil und gewinnt einen davon.

Selbstständigkeit als Versuch

Der Schritt in die Selbstständigkeit ist ein Versuch, den sie mit anderen Studierenden ihres Fachs diskutiert. „Ich habe mit Kommilitonen gesprochen und wir haben gedacht, Mensch, wir können das doch mal versuchen. Es ist ja kein großes Risiko dabei. Vielleicht ist es direkt nach dem Studium sogar einfacher, als sich später aus einem ,sicheren' Arbeitsverhältnis zu lösen und das Risiko der Selbstständigkeit einzugehen“, erklärt sie diese Entscheidung. Die Kontakte aus dem bizeps-Projekt sind dabei sehr hilfreich. 2001 ist es so weit. Seitdem ist sie für die Ausführung ihrer Aufträge alleine verantwortlich. Sie arbeitet als freie Designerin beim WDR in Köln, wo sie während des Studiums ein Praktikum absolviert hat. Vor allem aber nimmt sie auch weitere Aufträge von Unternehmen und Selbstständigen an.

Zur Vorbereitung unterliegt zunächst jedes Projekt einer ausführlichen Recherche. Dann nähert sie sich dem Thema durch unterschiedliche Fragestellungen, bezieht Kundenwünsche mit ein, führt ausführliche Gespräche und definiert die Zielgruppe. Sie arbeitet mal freier, mal im vorbestimmten Corporate Design, jedoch immer in kreativer Auseinandersetzung mit dem Kunden, den sie von ihrer Arbeit überzeugen will. Dazu hat Voß-Acker mittlerweile auch ein Netzwerk von Designern, Illustratoren, Textern, Fotografen und Spezialisten gewoben. Das ermöglicht eine projektbezogene Zusammenarbeit und damit eine zuverlässige Abwicklung größerer Projekte.

Mehr als 50 Briefmarken designt

Und dann sind da ja noch ihre Briefmarkenentwürfe. Über 50 Briefmarken hat sie bislang für das Finanzministerium realisiert. Durch ihren ersten Wettbewerbssieg als Studentin ist sie im Kreis der Briefmarkengestalter aufgenommen, wird regelmäßig eingeladen und hat spannende „Miniplakate“, wie sie sie nennt, herausgebracht. „Es ist eigentlich kein Unterschied, ob ich ein Plakat oder eine Briefmarke entwerfe. Da gelten im Prinzip die gleichen Gestaltungsregeln. Man darf es nicht überladen, man muss das Thema auf den Punkt bringen“, erklärt sie.

Ein Entwurf führt zu kontroversen Diskussionen

Für ihre Briefmarken bekommt die Designerin viele positive Reaktionen – zweimal hat sie einen Red Dot Design Award verliehen bekommen. Doch eine Briefmarke aus dem Jahr 2018 hat auch schon zu kontroversen Diskussionen geführt: Aus Anlass des 150. Geburtstages von Magnus Hirschfeld, einem deutschen Arzt, Sexualwissenschaftler und Mitbegründer der ersten Homosexuellen-Bewegung, kreiert sie eine Briefmarke ohne Konterfei, sondern mit Gender-Symbolen.

Kritiker sprechen daraufhin von einem Hetero-Entwurf, um einen Homosexuellen zu ehren und hätten sich eher ein Porträt gewünscht. „Ich sehe das etwas anders. Erstmal geht es nicht einfach nur um Homosexualität, sondern um eine Briefmarke, die die Arbeit und damit verbundenen Verdienste Hirschfelds würdigt. Die Frage, ob man der Würdigung einer Person mit einem Porträt oder eben der Auseinandersetzung mit seiner bedeutenden Leistung besser gerecht wird, steht bei jedem Briefmarkenentwurf im Raum.“

Die Entscheidung darüber trifft letztendlich auch der Kunstbeirat des Bundesministeriums der Finanzen, der aus einer Vielzahl an eingereichten Entwürfen, den für die Jury gelungensten Entwurf zur Realisierung vorschlägt. Die Wuppertalerin überzeugt den Kunstbeirat mit ihrem Entwurf, der sich gegen etwa 20 Konkurrenzentwürfe – einige davon auch mit Porträts – durchgesetzt hat. Einigen Kritikern ist das Motiv nicht homosexuell genug.

„Es geht hier nicht nur um Homosexualität, sondern darum, die Vielfalt der sexuellen Abweichungen von der klassischen Normvorstellung, mit allen dazugehörenden Zwischenstufen zu thematisieren und das sind nach Hirschfeld Tausende. Wenn man Abweichungen sichtbar machen will, funktioniert das am besten, indem man die ‚Norm' symbolisch darstellt, hier mit bekannten Symbolen, die dann durch Vervielfältigung und Abweichungen eine eigene Komposition bekommen“

Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen

Aktuell gestaltet die Designerin die Mitarbeiterzeitung für eine Versicherung. Hier geht es darum, den kulturellen Wandel einer ganzen Branche und eines Unternehmens gestalterisch zu begleiten und zu stützen. Da braucht es genauso viel Know-how, Fingerspitzengefühl und Kreativität wie bei einem Briefmarkenentwurf.

Bei ihrer Arbeit steht sie dabei auch immer vor der täglichen Doppelbelastung einer selbstständigen Unternehmerin, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss. Jungen Studierenden sagt sie aus eigener Erfahrung: „Ich bin gut damit gefahren, das Studium wirklich für mich zu sehen, nicht immer nur die Scheine im Kopf zu haben. Zu sehen, was ich für mich mitnehmen kann. Das finde ich ganz wichtig. Und es muss Spaß machen. Ist das nicht der Fall, sieht man das der Arbeit an.“

Eine neue Herausforderung und Erweiterung ihrer Arbeiten könnte sich die engagierte Designerin immer noch vorstellen. „Ich freue mich über jede neue Herausforderung und darauf, mich in neue Aufgabenstellungen einzuarbeiten. Für Unternehmen, Verbände, Selbstständige oder gerne auch einmal im Kulturbereich“, sagt sie abschließend.

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