Nils Walbrecht Wuppertaler ist Koch der Handball-Nationalmannschaft

Wuppertal · Bei der Europameisterschaft im Frühjahr setzte die deutsche Handball-Nationalmannschaft zum ersten Mal auf einen eigenen Koch. Der Mann am Herd, Nils Walbrecht, ist gebürtiger Wuppertaler und will nach der erfolgreichen Premiere jetzt mit Gensheimer und Co. auch zur WM nach Ägypten und zu den Olympischen Spielen in Tokio. Top Magazin-Mitarbeiter Martin Schneider war bei Walbrechts Handball-Debüt dabei.

 Der gebürtige Wuppertaler Nils Walbrecht weiß, was Top-Athleten und Hobbysportler gut tut. Aufgeschrieben hat er seine Rezepte im Buch „Erfolg isst anders!"

Der gebürtige Wuppertaler Nils Walbrecht weiß, was Top-Athleten und Hobbysportler gut tut. Aufgeschrieben hat er seine Rezepte im Buch „Erfolg isst anders!"

Foto: DHB / Sascha Klahn

Wir sitzen in den Katakomben der Wiener Stadthalle kurz vor dem letzten Gruppenspiel der deutschen Handballspieler bei der Europameisterschaft. Es ist eine Mammut-EM, erstmals mit 24 Teams ausgetragen, und eine große Aufgabe für Nils Walbrecht. Der 38-jährige ist Koch der deutschen Nationalmannschaft, der DHB hat sich diesen Luxus, der beim großen Bruder Fußball völlig normal ist, erstmals gegönnt. Neben uns gibt der verletzte Patrick Wiencek ein TV-Interview. Als das beendet ist, rufe ich ihm noch eine Frage zu. „Wie kocht der Nils denn so?“, will ich vom deutschen Abwehrmann wissen. „Der kann‘s, schmeckt alles total gut, manchmal zu gesund und die Desserts könnten etwas süßer sein“, so Wiencek, den im Handball alle in Anspielung auf die Figur aus „Familie Feuerstein“ nur „Bam Bam“ nennen.

Dass mit der fehlenden Süße gehört dabei durchaus zum Konzept der Kochkunst des gebürtigen Wuppertalers und in Wermelskirchen lebenden Walbrecht. „Ich muss natürlich darauf achten, dass die Regeneration über meine Mahlzeiten so gut wie möglich stattfindet, da ist Quark im Tiramisu die bessere Wahl als deutlich fettere Mascarpone“, so Nils Walbrecht, der neben seiner 22-jährigen Kochkarriere auch noch eine Ausbildung zum Ernährungsberater abgeschlossen hat. In Dortmund betreibt er eine Kochschule, berät große Unternehmen zum Thema gesundes (Kantinen)-Essen und kocht jetzt auch nebenbei für die deutschen Bällewerfer.

Seine eigene sportliche Laufbahn fand vor einigen Jahren beim TuS Niederwermelskirchen statt, in der Kreisliga. In Sachen Kochen hat er schnell ein deutlich höheres Niveau erreicht, Walbrecht kann in seiner Vita Stationen wie Lafers „Stromburg“ oder das „Aqua“, ein Drei-Sterne-Restaurant in Wolfsburgs Autostadt, aufzählen. „Meine Affinität zum Handball stammt noch aus meiner Jugend, ich mag die Typen, deswegen habe ich mich einfach mal initiativ beim Deutschen Handballbund beworben“, erzählt ein gut gelaunter Walbrecht über den Beginn der Zusammenarbeit Ende 2019. Bei zwei Länderspielen gegen Kroatien und der Vorbereitung im Rahmen eines Lehrgangs hat er probegekocht. Offenbar so gut, dass er direkt für die Europameisterschaft mit den Spielorten Trondheim, Wien und Stockholm engagiert wurde.

Walbrecht ist dabei für alle vier Mahlzeiten der Mannschaft verantwortlich: Frühstück, Mittagessen, ein Snack vor dem Spiel und ein Abendessen, manchmal erst gegen Mitternacht. Ergibt einen Arbeitstag zwischen 14 und 17 Stunden. Walbrecht scheint belastbar zu sein, denn obwohl bereits drei Viertel des Turniers hinter ihm liegen, erzählt er mit ganz viel Verve von seiner ganz eigenen Europameisterschaft, Spiele sieht er selten. „Heute habe ich ihnen ein Wiener Schnitzel bei einem Sieg in Aussicht gestellt. Manche wollten wissen, was es bei einer Niederlage gibt. Auch ein Schnitzel, habe ich geantwortet, aber ohne Dessert danach. Stimmt natürlich nicht“. Essen ist ja oftmals eine Art der Belohnung, wichtig für den Kopf, und so gab es während der Tage auch schon mal Pizza oder Burger. Kein Problem, wenn die Zutaten gesund, frisch und regional sind. Die größte Belohnung für ihn ist, wenn ihn die Riesen mit „Hey Kleiner“ ansprechen oder ihn an ihre breite Brust drücken, wie Wiencek, der Abwehrkoloss, das manchmal macht.

 Zwei EM-Debütanten: Nationalspieler David Schmidt vom Bergischen HC und Team-Koch Nils Walbrecht (re.).

Zwei EM-Debütanten: Nationalspieler David Schmidt vom Bergischen HC und Team-Koch Nils Walbrecht (re.).

Foto: DHB / Sascha Klahn

Walbrecht arbeitet eng mit den Hotelküchen zusammen, kocht natürlich nicht alles selbst. Vielleicht ist seine Funktion mit Koch-Supervisor am besten beschrieben. Walbrecht hat jedem Hotel vorab einen sogenannten F&B-Guide geschickt, 26 Seiten mit Richtlinien, was wie wann auf die Teller zu kommen hat. Das funktioniert nicht immer so unkompliziert wie im Teamhotel in Trondheim, wo sage und schreibe 26 Köche angestellt waren. „Die haben über meine Wünsche nur gelächelt, alles top gemacht und mich leicht integriert. Ich habe mich dann vor allem um die kalten Speisen gekümmert“.

Zu Klassikern haben sich in den EM-Tagen sein Bircher Müsli und die selbstgemachten Haferkekse entwickelt. „Wenn die mal fehlen, gibt’s Ärger“, so Walbrecht mit einem Augenzwinkern. Wohlwissend und erwähnend, dass er noch nie so dankbare Gäste hatte, wie diese deutschen Handballspieler.Aus dem Kreis der Mannschaft ist zu hören, dass die Spieler länger am Tisch sitzen als früher, ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Teamgeist und durchaus ein Lob an den Koch.

Platz fünf bei der Europameisterschaft war zwar kein Traumergebnis, aber die neuen Ziele sind längst im Visier: Dde WM in Ägypten und die Olympischen Spiele in Tokio. Dann wieder mit Nils Walbrecht und vielleicht auch mit den rund 70 Rezepten, die der Koch inzwischen in einem E-Book mit dem vielsagenden Titel „Erfolg isst anders!“ als Mischung aus Kochbuch und Ernährungsratgeber für Top-Athleten und Hobbysportler veröffentlicht hat. Es ist über Walbrechts Homepage www.kochen-isst-vital.de zu beziehen.

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