Teschemacher Hof in Wuppertal Mit Dendrochronologie und Altbau-Magier

Wuppertal · Die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude ist immer eine besondere Herausforderung. Wenn sich das Objekt dann während der Arbeiten auch noch als ältestes Wohngebäude Wuppertal entpuppt, gilt das umso mehr. Die besondere Geschichte der Wiederherstellung des Teschemacher Hofs …

Geschafft: Christian Baierl (li.) und Ingo Schwiertz vor der Fachwerk-Nordfassade des sanierten Teschemacher Hofs.

Foto: Bettina Osswald

2019 hatte die Renaissance AG der Stadt den historischen Komplex an der Mirke abgekauft – längst nicht die erste geschichtsträchtige Immobilie im Tal, mit der sich das Team um Vorstand Christian Baierl beschäftigt hat. Aber eben eine ganz besondere. Deshalb steht Baierl beim Termin mit dem Top Magazin nicht ohne Stolz vor dem Haus, das auch eine Art Elberfelder Wahrzeichen ist. Mit dabei ist Ingo Schwiertz. Gefragt nach dessen genauer Funktion beim Projekt Teschemacher Hof, muss Baierl schmunzeln: „Wie wäre es mit Altbau-Magier?“

40 Tonnen Lehm

Technischer Leiter wäre vielleicht präziser, aber wenn Ingo Schwiertz von den Erlebnissen während der mehrjährigen Arbeiten erzählt, dann wurde offensichtlich schon auch ein bisschen gezaubert. Allein schon wegen des selbst gesteckten Ziels, möglichst nur natürliche Werkstoffe zu verwenden und dazu auch die existierende Substanz weiter einzusetzen. (Bilder)

Bilder: Der sanierte Teschemacher Hof in Wuppertal
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Der sanierte Teschemacher Hof

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Foto: Bettina Osswald

Wir haben 95 Prozent wiederverwendet“, erinnert sich Schwiertz und erzählt von 40 Tonnen unterschiedlicher Lehmsorten, die in das Fachwerk eingebracht wurden. Und das von Hand und mit Sachverstand, denn: „Den Lehm einfach vor die Wand schmeißen geht nicht, dann schimmelt das.“

In den 960 Quadratmetern Wohnfläche der Anlage steckten aber noch ganz andere Herausforderungen. Die unterschiedlichen Fassadenseiten – teils verschiefert und teils offen – erforderten jeweils auch völlig unterschiedliche Dämmungen. Um die richtig zu wählen, wurde das Fraunhofer-Institut mit Feuchtigkeitssimulationsberechnungen beauftragt. Und Feuchtigkeit in ganz Thema: In den entwässerte nämlich von der oberhalb gelegenen Wiese aus ungebremst ein Zufluss des Mirker Bachs. Durch eine Pumpenlösung ist der Keller heute trockener als in vielen Neubauten.

Die Dimension des Vorhabens macht auch diese Zahl deutlich: 96 Fenster mussten denkmalgerecht getauscht werden. „Alle nach außen zu öffnen, weil früher die Mechanik dem Wind nicht standgehalten hätte, wenn es andersherum gewesen wäre“, erklärt Schwiertz. Wann dieses „früher“ eigentlich war, ist eine Frage, die während der Sanierung plötzlich in den Fokus rückte, als besonders alte Holzbalken freigelegt wurden. Sie lieferten Anhaltspunkte dafür, dass die Ursprünge des Teschenmacher Hofs noch vor dem bis dahin allgemein angenommenen Jahr 1630 liegen könnten.

„Dieser Sache wollten wir sofort auf den Grund gehen“, erinnert sich Christian Baierl an die Entdeckung: „Es war die einmalige Gelegenheit, die ältesten baulichen Strukturen näher in Augenschein zu nehmen und dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.“ Klarheit brachte eine dendrochronologische Untersuchung von insgesamt 14 Materialproben aus dem Ständerwerk des ältesten Gebäudeteils.

Die Idee zum Einsatz dieser datierungswissenschaftlichen Methode zur Holzaltersbestimmung hatte die Untere Denkmalbehörde der Stadt, der Baierl dafür sehr dankbar ist. Denn das Ergebnis belegt, dass der Hof gesichert mindestens aus dem Jahr 1540 stammt. Einzelne Daten legen nahe, dass es sogar das Jahr 1518 sein könnte. So oder so wird der Teschemacher Hof damit zum ältesten erhaltenen Wohngebäude in Wuppertal.

Fast 500 Jahre alte Handabdrücke

Die auf eigene Kosten durchgeführte Untersuchung hätte die Renaissance AG übrigens nicht notwendigerweise machen müssen. „Aber unsere Mitarbeiter haben Herzblut für sowas“, weiß Baierl. Und deshalb beschloss man auch, dauerhaft einen kleinen Einblick in die älteste historische Struktur zu erhalten. Dazu wurde in einer Wohnung im ersten Stock hinter einer raumhohen Glasscheibe das Konstrukt offen sichtbar gelassen: Die heutigen Bewohner und ihre Besucher können jetzt neben den Holz-Staken im Lehm der Ausfachungen für die Ewigkeit erhalten gebliebene Handabdrücke der vor fast 500 Jahren hier tätigen Arbeiter erkennen.

Leda und der Schwan

„Wir fühlen uns superwohl hier“, sagt die aktuelle Mieterin und lässt den Blick über Wände und Holzböden schweifen, die alles andere als gerade sind, aber unvergleichlichen Charakter haben. In ihrem Wohnzimmer wurde bei der Sanierung ein nur noch zu erahnendes Wandgemälde entdeckt. Das Ornamentband aus dem 19. Jahrhundert zeigt Motive des antiken Mythos „Leda und der Schwan“.

Für seine Wiederherstellung bemühte sich eigens der letzte Restaurator der legendären Kölner Schule nach Wuppertal, der hier mit Skalpell und Pinsel tätig wurde. Den in den 1970er Jahren geschlagenen Schlitz für Elektrokabel, der längs durch das Bild gezogen wurde, musste er allerdings lassen, weil auch der erhalten bleiben sollte.

Wie so vieles andere auch. „Wir haben im ganzen Haus keine Wand entfernt“, betont Ingo Schwiertz mit Blick auf die neun Wohnungen in den unterschiedlichen Bereichen des Winkel-Baus, die sukzessive saniert wurden. Zwei Mieter sind die ganze Zeit über im Objekt geblieben, mussten dafür mehrfach umziehen. Ihnen durchgehend Heizung und Warmwasser bereit zu stellen, war eine weitere Spezialaufgabe innerhalb des Renovierungs-Abenteuers Teschemacher Hof.

Die Sache mit der Glocke

Der Bau ist jetzt seit einiger Zeit fertig. Oder fast, denn: „Ich schulde dem Christian noch eine Glocke“, schmunzelt Ingo Schwiertz. Hoch oben in einem Türmchen auf dem Dachfirst montiert hatte sie früher das neue Jahr eingeläutet. „Zuletzt war das 1959/60, der Mann, der gelautet hat, ist dabei zu Tode gestürzt“, blickt Schwiertz zurück.

Das Problem: Die Glocke schwingt nicht, weil das der Dachstuhl nicht tragen konnte, sondern muss von Hand geschlagen werden. Ein Seilzug dafür ist zwar installiert, aber eine Glocke mit passender Mechanik zu bekommen und einzubauen, hat sich bisher als schwer realisierbar erwiesen. Dem Altbau-Magier wird aber auch dafür noch eine Lösung einfallen …