Rundschau-EM-Kolumne des Wuppertaler ZDF-Reporters Martin Schneider (5) Adieu Lyon!

Wuppertal · Ein letzter Spaziergang an der Rhône, ein letztes Tartare de boeuf mit einem Glas Rosé, ein letzter Café Noisette! Nach insgesamt neun Tagen verlasse ich Lyon — die früher mal als heimliche Hauptstadt Frankreichs bezeichnete Minimetropole- — mit leichtem Abschiedsschmerz.

 Ente nicht à l’orange, sondern im Grünen: Martin Schneider verabschiedet sich aus Lyon und vom Parc de la Tête d`or.

Ente nicht à l’orange, sondern im Grünen: Martin Schneider verabschiedet sich aus Lyon und vom Parc de la Tête d`or.

Foto: Schneider

Sollte ich noch vor ein, zwei Wochen über seltsame Animositäten im deutsch-französischen Verhältnis geklagt haben, so sage ich jetzt: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

Mit besserem Wetter stieg die Laune — bei mir, genauso wie beim Gastgeber dieses Fußballturniers. Die Stürme biblischen Ausmaßes gehörten irgendwann der Vergangenheit an. Wir haben unser Stammbistro um die Ecke gefunden, wo es dann doch möglich war, Ball und Abendmenü zu kombinieren. Wir haben viele nette Menschen kennen gelernt, so zum Beispiel heute Morgen beim Frühstück den ehemaligen französischen Nationalspieler William Gallas.

Klar war Fußball das Hauptthema zwischen uns. Gallas hatte damals 2009 das "Goal of the Frogs" erzielt, das "Tor der Frösche" (britischer Schimpfname für Franzosen), nachdem Thierry Henry sich den Ball absichtlich mit der Hand vorgelegt hatte. Frankreich fuhr zur WM nach Südafrika, Irland blieb auf seiner Insel.

Aber Gallas gab mir auch noch Tipps für meinen letzten Tag in Lyon und schickte mich in einen zauberhaften Park im Norden der Stadt, wo ich nun sitze, denke und schreibe. Natürlich geistert mir noch mein letztes Spiel als Reporter bei dieser EM durch den Kopf. Frankreich gegen Irland, "Les Bleus" gegen die "Boys in green". Ein mühevoller Sieg des Gastgebers dank Antoine Griezmann, der nun wie andere Stars "on fire" ist: Ronaldo, Hazard, Bale, Buffon, de Bruyne, Neuer und Boateng.

Ich denke, dass dieses Turnier jetzt auch durchgängig dramatischen Qualitätsfußball bringen wird. Spanien hat sich mit "Tapas-Fußball" zum Einschlafen gegen espressohafte Italiener verabschiedet. Und Island geysiert sich weiter durch Europa und schickt die Fußball-Kleinmacht England dahin, wo sie hingehört.

Mir persönlich hat meine neue Rolle als sprechender Mensch am Reporterplatz einen Riesenspaß gemacht, hätte gern weiter gehen können, aber unsere Rollenverteilung war im Vorfeld abgesprochen. Olli Schmidt und Béla Réthy, beide enge Kumpels von mir, werden die Euro für das ZDF zu Ende kommentieren.

Ach ja, noch was zu den netten Menschen hier: Als wir am Sonntag bei unseren Versuchen, ein Taxi nach dem Spiel am Stadion zu finden, einen offenbar bemitleidenswerten Eindruck hinterließen, sprach uns eine junge Französin an. Wo wir denn hin wollten, die Frage der Studentin. Kurzum: Sie brachte meinen Kollegen Jens und mich in ihrem Clio in die Innenstadt.

45 Minuten Fahrzeit mit stotterndem Motor und flüssigem Gespräch in Esperanto zeigen: Der Fußball kann doch völkerverbindend sein. Alors!
Jetzt muss ich den Laptop aber schließen, sonst verbrenne ich hier im Parc de la Tête d'or. Außerdem ruft ja das Tartare avec frites nach mir …

À bientôt, Martin!

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