Wuppertaler Fotograf Dietmar Wehr Er hat Grünes im Fokus

Wuppertal · Es ist nur Gemüse. Frontal, vor weißem Hintergrund. Reduziert auf das Wesentliche. Aber genau deshalb erstrahlen die Steckrübe, die Tomate oder der Romanesco in verblüffendem Licht und wachsen zu Persönlichkeiten heran. Der Künstler, der den Gewächsen diese Bühne bereitet, ist der Wuppertaler Dietmar Wehr. Ihm geht es darum, alltägliche Lebensmittel ganz neu anzuschauen.

 Dietmar Wehr verzichtet seit vielen Jahren auf Fleisch. Seine Fotografie versteht er als ein Bekenntnis zu veganer oder vegetarischer Lebensweise.

Dietmar Wehr verzichtet seit vielen Jahren auf Fleisch. Seine Fotografie versteht er als ein Bekenntnis zu veganer oder vegetarischer Lebensweise.

Foto: Bettina Osswald

Schon als kleiner Junge war er ein faszinierter Beobachter. Seine Großmutter kaufte auf dem Markt in Barmen Nahrungsmittel wie Kostbarkeiten ein. Mit prüfendem Blick suchte sie Äpfel, Rüben aus, sammelte Sauerampfer und Brombeeren im Wald, die dann aus ihrem Korb in ihre Küche wanderten. Dort bereitete sie die Lebensmittel sorgsam zu, verwertete alles. „Diese Wertschätzung", sagt ihr Enkel, „wurde mir so ganz selbstverständlich."

Heute ist Dietmar Wehr 66 Jahre alt und zeigte jüngst seine Ausstellung „Basic Food“ in der Galerie im Turm der Christuskirche. 22 großformatige Fotografien halten eben genau diese Wertschätzung fest und bezeugen sie. Wehr fotografiert Obst und Gemüse mit einer Sorgfalt, mit der andere Künstler Menschen portraitieren. Und so entstehen Bilder, die den Lebensmitteln Gesicht und Würde geben.

Wehr selbst versteht seine fotografische Arbeit als ein „Bekenntnis zu veganer oder vegetarischer Lebensweise, zur Wertschätzung lebenserhaltender Nahrungsmittel und zur Achtung natürlicher Ressourcen“. Bereits als junger Musikstudent entschied er sich, kein Fleisch mehr zu essen. „Dass der Hunger der Welt alleine durch einen geänderten Lebenswandel aller Menschen besiegt werden könnte, leuchtete mir damals schon ein“, erinnert er sich. „Nachdem in meiner Kindheit Fleisch selbstverständlich war und als Zeichen des Wohlstands galt, hatte ich dann als junger Mann die Freiheit, selbstbestimmt darauf zu verzichten.

Genau wie der besondere Bezuq zu organischen Lebensmitteln entstand auch Wehrs Interesse an der Fotografie bereits in seiner Kindheit. Vom Vater bekam er den ersten Fotoapparat. Seitdem begleitet den Kontrabassisten des Wuppertaler Sinfonieorchesters der Blick durch die Kamera daheim wie unterwegs.

2012 fusionierten Lebensmittel und Fotografie zum ersten Mal. Wehr widmete sich seinem ersten Lebensmittel-Projekt. Bei „Gemeinsam alt werden“ fotografierte er erst über Monate, dann über Jahre Kartoffeln in ihrem Verwitterungsprozess. Die Bilder für die aktuelle Ausstellung „Basic Food" entstanden seit 2019.

 Dietmar Wehr vor seinen Werken.

Dietmar Wehr vor seinen Werken.

Foto: Bettina Osswald

Während er die Arbeiten in einem konzentrierten und meditativen Prozess im Studio erarbeitet, ist das Zusammenfinden von Künstler und Model manchmal fast ein Abenteuer. Die portraitierte Zwiebel, deren Wurzeln an einen Irokesen erinnern, ist am Bodensee von einem Lastwagen gefallen. Wehr rettete sie und holte sie vor die Linse. Andere seiner Objekte stammen vom Wochenmarkt in Frankreich oder eben aus Barmen und Elberfeld. Manche wurden als besonders schön angepriesen, manche landeten wegen ihrer unperfekten Erscheinung fast im Müll.

Jedes Stück Gemüse oder Obst, das den Weg vor die Kamera findet, landet hinterher in Wehrs Küche. „Das Zubereiten ist im Grunde wie ein Teil des künstlerischen Prozesses“, sagt der Kochbegeisterte. „Wobei es sich seltsam anfühlt, die Oberfläche, die ich beim Fotografieren genau betrachtet habe, nun zu zerschneiden.“ So enden viele Fotos mit einem duftenden Gericht. Die Sauerampfer- Suppe seiner Großmutter hat der Künstler übrigens noch nicht nachgekocht. „Aber ich erinnere mich an ihren Geschmack.“

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