Bergische Uni Ziel: Die Beziehung zur Bevölkerung verbessern

Wuppertal · Ein Projekt der Sicherheitstechnik der Bergischen Uni Wuppertal will das Vertrauen der Zivilbevölkerung in die Arbeit von Polizei und Ordnungsdienst stärken.

Dr. Tim Lukas und Jacqueline Oppers.

Foto: UniService Transfer

Das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürger, der Polizei und dem kommunalen Ordnungsdienst steht immer wieder im Fokus des öffentlichen Interesses. Zwar genießt die Polizei ein hohes Maß an Vertrauen, doch ähnlich wie bei den Ordnungsdienstmitarbeitenden, mehren sich Respektlosigkeiten. Sie werden im Dienst beschimpft, bespuckt, sogar körperlich angegriffen.

Dr. Tim Lukas und Jacqueline Oppers vom Fachgebiet Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit in der Fakultät Maschinenbau und Sicherheitstechnik der Bergischen Universität arbeiten an einem Projekt, das Handlungsempfehlungen zum besseren Miteinander von Polizei, Ordnungsdiensten und der Bevölkerung geben soll.

Projekt mit der Stadt Düsseldorf mit überregionaler Wirkung

Das Projekt läuft unter dem Akronym „EQAL“, ohne das fehlende „U“ und steht für die Entwicklung eines quartiersbezogenen Austausch- und Lernprogramms. „Wir dachten in Bezug auf Social Media, dass es gut sei, wenn man ein Hashtag mit einem Wort hat, das zwar so etwas wie Gleichheit transportiert, aber sich gleichzeitig in der Schreibweise unterscheidet, um nicht eines unter vielen zu sein“, erklärt Lukas und fährt fort: „Es geht grundsätzlich darum, dass wir mit dem Projekt darauf abzielen, ein Austausch- und Lernprogramm für den Stadtteil Düsseldorf-Oberbilk zu entwickeln, mit dem wechselseitig das Verständnis zwischen Polizei, Ordnungsdienst und Bevölkerung erhöht werden soll.“

Hintergrund der Projektidee sind die vor drei Jahren innerhalb der Polizei bekannt gewordenen rechtsextremen Chatgruppen und die Berichterstattung über den Tod des Amerikaners George Floyd mit der anschließenden breiten Diskussion über die sogenannte Black-Lives-Matter-Bewegung (BLM, englisch für Schwarze Leben zählen, Anm. d. Red.). „Wir hatten vorher schon das Projekt ´Sicherheit im Bahnhofsviertel` im Umfeld des Düsseldorfer Hauptbahnhofs durchgeführt, und der Stadtteil Oberbilk liegt direkt hinter dem Bahnhof“, erklärt der Diplom-Soziologe. „Das ist ein sehr diversitätsgeprägter Stadtteil mit einer großen marokkanischen Community. Dort ist ein Polizist unterwegs, ein sogenannter Kontaktbeamter für die muslimischen Organisationen. Der hält Kontakte zu Moscheevereinen, Einzelhändlern und Sportvereinen und sagte mir, dass die Arbeit der Polizei nicht einfacher werde, seit die rechtsextremen Chatgruppen bekannt wurden und unverhältnismäßige Polizeigewalt stärker thematisiert wurde.“

Das Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger in die Polizei setzen, schien an diesem Ort zu erodieren, beschreibt der Wissenschaftler die Situation und dachte über Lösungen nach. In den Vereinigten Staaten gibt es bereits Polizeiprogramme, die sich auf deutsche Verhältnisse anpassen lassen könnten, wobei hierzulande eine zusätzliche Besonderheit in die Projektplanung aufgenommen wurde, denn bei uns ist es so, „dass nicht nur die Polizei, sondern beispielsweise in Düsseldorf und Wuppertal auch der sogenannte kommunale Ordnungsdienst in Uniform auf der Straße unterwegs ist. Und was die Uniform angeht, sind beide für die Bürgerinnen und Bürger kaum zu unterscheiden“, sagt Lukas.

Nach Rücksprache mit Vertretern der Düsseldorfer Polizei und des Ordnungsamtes wurde der Projektantrag gemeinsam auf den Weg gebracht. „Wir waren dann schlussendlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgreich, so dass das Projekt nun vom BAMF gemeinsam mit der Landeshauptstadt Düsseldorf gefördert wird.“

Verbesserte Beziehung zwischen Ordnungskräften und der Zivilbevölkerung

„Das Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und der Bevölkerung ist in Deutschland eigentlich relativ gut“ sagt Lukas vorweg, man könne schon sehen, dass helfende Professionen, also etwa Rettungsdienste, Kranken- und Pflegepersonal, Ärzte, aber auch die Polizei, ein sehr hohes Ansehen und Vertrauen in der Bevölkerung genießen würden. Dennoch belegen einschlägige Umfragen, bezogen auf bestimmte soziale Gruppen (zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund und auch jüngere Bürgerinnen und Bürger), ein geringeres Vertrauen in die Polizei. Dabei ist Vertrauen sehr wichtig für die Polizeiarbeit.

Dazu Lukas: „Es gibt Studien, die sagen, dass bis zu 90 Prozent aller Tätigkeiten, die die Polizei vollzieht, durch die Bevölkerung initiiert sind. Das heißt, die Bevölkerung zeigt Straftaten an, die Bevölkerung hilft bei der Aufklärung von Straftaten. Sie ist elementar wichtig für die Polizeiarbeit. Und wenn dieses Vertrauen nicht da ist, dann gewinnen andere Formen der Konfliktlösung an Prominenz. Wenn sie der Polizei nicht vertrauen, dann melden sie sich dort auch nicht und regeln das Problem vielleicht selbst.“

Hinzu kommt, erklärt Jacqueline Oppers, Mitarbeiterin des Projektes, „das ist ja nur die polizeiliche Perspektive. Die kommunalen Ordnungsdienste sind bis heute kaum erforscht, daher fehlen die Vertrauenswerte, die für die Polizei bereits vorliegen, oftmals für die Ordnungsdienste, weil sie bei größeren Befragungen bisher eher ausgeklammert wurden. Diese Fragen greifen wir aber nun in unserem Projekt auf und erhoffen uns davon wichtige, neue Erkenntnisse.“

Vertrauen in Polizei ist höher als Vertrauen in Ordnungsdienst

In einem früheren Projekt zur Sicherheit in der Innenstadt am Döppersberg konnte Lukas in Befragungen von Bürgerinnen und Bürgern zum Vertrauen in Polizei und Ordnungsdienst bereits feststellen, dass das Vertrauen in die Polizei im Vergleich zum Ordnungsdienst deutlich höher ausfiel und sagt: „Das hat etwas mit einer unterschiedlichen Präsenz im öffentlichen Raum zu tun und damit, dass man das Ordnungsamt am ehesten mit Knöllchen fürs Falschparken assoziiert.“

Oppers ergänzt: „Das Problem dabei ist, dass es den Ordnungsdienst nur hier in Deutschland und in Teilen von Österreich gibt, aber in anderen europäischen Ländern so eben nicht. Menschen, die eine Migrations- oder Fluchtgeschichte haben und nach Deutschland kommen, können mit dem Ordnungsdienst erst einmal nichts anfangen. Es gibt auch keine passenden Übersetzungen. Es ist schon schwierig einen englischen Begriff dafür zu finden. Die Polizei kennt man aus den Herkunftsländern, auch wenn man mögliche negative Erfahrungen auf die deutsche Polizei überträgt, aber den Ordnungsdienst als Organisation kennt man meist gar nicht.“

Zwar habe man in einigen deutschen Städten die sogenannte Stadtpolizei, die in anderen Ländern eine ähnliche Funktion wie der Ordnungsdienst übernehme, aber im Ausland führen die dann auch mit Blaulicht herum. „Hier dürfen sie das nicht“, erklärt Lukas, „hier fährt der Ordnungsdienst zukünftig mit Orangelicht, und da denkt man dann doch vielleicht eher an die Müllabfuhr oder den Abschleppdienst. In der Wahrnehmung gelten sie dann als Polizisten zweiter Klasse oder eben als Hilfssheriffs. Und an diesem Verhältnis wollen wir etwas ändern, das Verhältnis zwischen Polizei, Ordnungsdienst und der Bevölkerung verbessern. Die Bürgerinnen und Bürger wissen oft gar nicht, wer eigentlich was darf.“

Austausch- und Lernprogramm an neutralem Ort

„Wir haben uns für ein Begegnungsformat entschieden, dass ein Austausch- und Lernprogramm sein soll, in dem nach unserer Vorstellung und Planung, verschiedene Module umgesetzt werden“, erklärt Lukas. „Wir planen momentan mit fünf Terminen, also fünf Wochen mit fünf Abenden, an denen sich an je einem Abend drei Stunden lang Polizisten und Ordnungskräfte mit ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern aus dem Stadtteil Oberbilk treffen und sich über unterschiedliche Themen austauschen.“

Wichtig dabei ist ein neutraler Ort, den sie in den Räumlichkeiten des gemeinnützigen Kunst- und Kulturvereins „Königinnen und Helden“ gefunden haben. Um den Austausch zu fördern, legen die Macher vor allem Wert darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger auch ihre Erfahrungen und ihr Wissen, ihre Erwartungen an Sicherheits- und Ordnungskräfte in die Organisationen von Polizei und Ordnungsamt einbringen. So können Ordnungsamt und Polizei auch von den Bürgern lernen.

Vorbild: Citizen Police Academys

Um Vorurteile zwischen Sicherheitsbehörden und der Zivilgesellschaft abzubauen, zogen die Projektbeteiligten amerikanische Vorbilder zu Rate. Aber können amerikanische Beispiele, nach den Berichten über den Umgang von Polizisten mit afroamerikanischen Bürgern in den USA überhaupt als Vorbilder dienen? „Das ist eine Frage, die sich uns im Projektzusammenhang permanent stellt, vor allem, weil doch jeder weiß, dass das Verhältnis zwischen der Polizei und der amerikanischen Bevölkerung besonders angespannt ist“, antwortet Lukas. „Allerdings waren wir vor Ort und haben gesehen, dass man da sehr genau um dieses Verhältnis weiß. Man weiß auch, dass man Multiplikatoren in der schwarzen und auch weißen Community finden kann, die man mit diesem Programm erreichen will. Dann hat man Menschen vor Ort, auf die man in Krisenfällen oder bei Polizeigewalt zurückgreifen kann, um Konflikte auf kleinerer Flamme halten zu können.“

Von zusätzlichem Interesse sei auch die Tatsache, dass es diese Programme in den Staaten schon seit vielen Jahren gäbe, sie also auch wissenschaftlich evaluiert seien, ergänzt Oppers. Es sei nachgewiesen, dass diese Programme positive Effekte hätten. „Untersuchungen, die sich mit den Wirkungen der Programme beschäftigen zeigen, dass Bürgerinnen und Bürger danach viel mehr über die Polizei und deren Arbeit wissen und das Vertrauen in die Polizei ebenfalls nachhaltig gefestigt wird.“

Exkursion nach Boston

Von Anfang an stand für Lukas und Oppers fest, dass sie sich zum Projektauftakt auf jeden Fall vor Ort über die Programme in den USA informieren wollten. Über den Kontakt zum US-amerikanischen Generalkonsulat in Düsseldorf und der amerikanischen Botschaft in Berlin suchten sie nach einer Stadt, die ähnliche Voraussetzungen in Größe und Funktion hatte, wie die Landeshauptstadt. „Wir kamen dann schnell auf die Stadt Boston an der Ostküste und haben eine Kooperation mit dem dortigen Police Departement und dem FBI gefunden. Im Oktober 2023 sind wir dann mit unseren Projektpartnern vom Ordnungsamt und der Polizei dorthin geflogen und ich glaube, ich kann da für alle sprechen, wenn ich sage, dass uns das vor Ort sehr beeindruckt hat.“

Dass das Interesse auch von amerikanischer Seite groß war, zeigte sich in der verantwortlichen Besetzung. „Sie haben einen Verantwortlichen aus Washington eingeladen, der landesweit für alle Programme federführend zuständig ist, es gab eine Übersetzerin, die extra aus Philadelphia kam und aus Frankfurt reiste ein Verbindungsbeamter des FBI an“, erklärt Lukas.

Die meisten amerikanischen Programme finden im Frühjahr und im Herbst statt, so dass die Besuchergruppe am zweiten Tag nach Portland fuhr, um der dortigen Programmdurchführung beizuwohnen. Diese Abende, die für eine feste Gruppe von circa 30 bis 40 Teilnehmenden durchgeführt und über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen mit je einem neuen Thema angeboten werden, dauern in der Regel drei Stunden und beginnen mit einem gemeinsamen Abendessen.

Die Polizei erzählt dann, wie sie mit Fällen umgeht und wie sie ermittelt. „Man erfährt spannende Dinge, die man sonst nicht erfahren würde. So arbeiten sie mit anonymisierten Fallakten und am Ende gibt es dann eine hochwertige Urkunde, die durch den jeweiligen Behördenleiter überreicht wird.“ Das mache schon etwas her und eine Urkunde des FBI habe auch nicht jeder zu Hause hängen. Auf jeden Fall sind diese Programme in den Staaten mittlerweile Selbstläufer und verbessern nachweislich das Verhältnis zwischen der Polizei und den Bürger*innen.

Ein Projekt mit Nachahmungspotenzial

Das deutsche Projekt hat in der Vorauswahl der Bürger natürlich auch Vorgaben. „Es müssen Menschen sein, die in Oberbilk gemeldet sind und dort wohnen, es sollten Menschen sein, die Multiplikatoren sind, das heißt, die beispielsweise in Vereinen aktiv sind. Und es sollten Menschen sein, die keine schwerwiegenden Straftaten verübt haben, weil Polizei und Ordnungsamt mit dem Programm auch die Hoffnung verbinden, dass man sich als attraktiver Arbeitgeber vorstellt.“

Vor allem die Aufklärung und Vermittlung der Zuständigkeiten von Polizei und Ordnungsamt habe oberste Priorität, denn, so sagt Lukas, „das scheint für die Bevölkerung und auch innerhalb der Polizei überhaupt nicht klar zu sein. Der Ordnungsdienst arbeitet ebenfalls auf Basis des Polizeigesetzes NRW, arbeitet aber auch auf vielen weiteren Rechtsgrundlagen wie zum Beispiel dem Landesemmissionsschutzgesetz. Sie dürfen Wohnungen betreten oder sind für die Unterbringung von Personen nach PsychKG (Die Psychisch-Kranken-Gesetze bezeichnen die deutschen Landesgesetze, die die freiheitsentziehende Unterbringung psychisch kranker Menschen im Falle akuter Selbst- oder Fremdgefährdung in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus regeln. Anm. d. Red.) zuständig. Es ist erstaunlich, was der Ordnungsdienst alles darf.“

Zuständigkeiten und Aufgaben sollen einerseits für den Bürger transparenter werden und auf der anderen Seite werden auch in den Organisationen Veränderungsprozesse angestoßen. Das erzeugt Bürgernähe und baut Vertrauen auf.

Am Ende sollen Handlungsempfehlungen stehen, die auch andere Polizeibehörden und Kommunen in NRW umsetzen können. „Es geht uns um die Wechselseitigkeit des Verhältnisses von Polizei, Ordnungsdiensten und Stadtbevölkerung und das heißt, dass man sich alle drei Seiten anschauen muss“ sagt Lukas abschließend. „Es ist wichtig, auch in Wuppertal, an diesem Verhältnis weiter zu arbeiten.“