Welthospiztag Sonntag in Vohwinkel: Trauer ohne Worte

Wuppertal · Als „Lebenstänzer“ gestaltet Felix Grützner seit vielen Jahren Gottesdienste und Trauerfeiern tänzerisch mit. Am Welthospiztag (15. Oktober 2023) ist er in Wuppertal zu Gast – ab 10 Uhr in der Evangelischen Kirchengemeinde Vohwinkel (Gräfrather Straße 20) bei einem ökumenischen Gottesdienst mit Ehrenamtlichen der Hospizdienste sowie Superintendentin Ilka Federschmidt und Stadtdechant Bruno Kurth.

Felix Grützner.

Felix Grützner.

Foto: Anna C. Wagner

Herr Grützner, Sie betonen gerne, dass Sie kein Trauer-, sondern ein Lebenstänzer sind. Warum ist Ihnen das wichtig?

Grützner: „Seit vielen Jahren tanze ich auf Begräbnis- und Trauerfeiern, in Veranstaltungen von Hospizvereinen oder in ökumenischen Gottesdiensten wie am 15. Oktober in Wuppertal-Vohwinkel. Da werde ich dann gerne als ,Trauertänzer‘ vorgestellt, aber ich folge nicht der Tradition des mittelalterlichen Totentanzes, der den Fokus darauf legt, dass alle sterben müssen, egal ob jung, alt, reich oder arm.

Mein Tanz dreht sich um das Leben: Das Leben der Verstorbenen, das Leben der Zurückbleibenden. Ohne das Leid und den Schmerz auszulassen, versuche ich, eine Ahnung von einem Leben nach und mit dem Verlust zu geben.“

Wie gestalten Sie Ihren „Lebenstanz“?

Grützner: „Das sind ruhige Bewegungen und einfache Gesten, die uns allen bekannt sind. Sie stehen für das, was in einem Trauerprozess passiert wie das Festhalten, Loslassen, Suchen, wie nicht gehen lassen wollen, wie sich fragen, ob das alles ist. Ich streiche mit der Hand über den Boden, so wie man vielleicht am Grab steht und denkt, war das jetzt alles?

Und dann richte ich mich auf, denn es kommt die Erkenntnis, dass die Erinnerungen und die Verbundenheit mit dem Verstorbenen über den Tod hinaus bleiben. Das Leben kann neu begriffen werden und die Zuversicht reifen, dass ein Leben mit diesem Verlust möglich ist.“

Im Gottesdienst wird es auch eine gemeinsame Choreografie mit Ehrenamtlichen der Christlichen Hospizstiftung geben, die Sie am 14. Oktober in einem Workshop begleiten. Worum geht es in dem Workshop?

Grützner: „Ich bin nicht nur Tänzer, sondern biete auch Fortbildungen an. Mein Ausgangspunkt ist dabei die „Wortlosigkeit“. Es gibt viele Situationen im Umgang mit Sterbenden und Trauernden, in denen sich Hospizhelferinnen und -helfer, Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte hilflos fühlen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Was ihnen meist nicht klar ist: Sie sind zwar wort-, aber nicht sprachlos. Denn unser Körper spricht immer eine Sprache und diese Kraft der Körperlichkeit möchte ich vermitteln.“

Wie sieht das konkret aus?

Grützner: „Mitarbeitende im Palliativ- und Hospizbereich setzen sich oft unter Druck, das ,Richtige‘ sagen zu müssen. Ich ermutige sie, auch mal nicht zu reden, sondern ohne Worte Anteil zu nehmen. Die Traurigkeit des Anderen mitzufühlen und schweigend auszuhalten, ist eine große Herausforderung, denn das fühlt sich nicht gut an. Trauernden Menschen hingegen tut die Erfahrung der „geteilten Ohnmacht“ in der Regel gut. Was passiert da in und mit dem Körper, wenn wir nicht reden? Darum geht es in meinen Workshops – theoretisch, aber auch praktisch.“

Was kann ich bei Ihnen über Körpersprache lernen?

Grützner: „Auch wenn wir nicht sprechen, übermitteln wir unserem Gegenüber Botschaften – mit unserer Körperhaltung, Bewegungen, Augen, Gesten und der Stimme. Das zeige ich in meinen Fortbildungen anhand vieler Übungen. Wir beobachten, wie sich durch Bewegung die Körperphysiologie verändert und erleben, wie Blicke trösten können.

Wer traurig ist, hat häufig eine gebückte Haltung und flache Atmung, die Stimme ist leise und dünn. Sich aufzurichten und anders zu atmen, hat einen enormen Effekt: Man nimmt die Welt anders wahr. Das erlebe ich immer wieder in meinen Seminaren für Trauernde. Manche sind sehr verbittert und starr, was sich auch in ihrer Körperhaltung zeigt. Durch Bewegung können sie aus ihrer Erstarrung herausfinden und bekommen wieder Zuversicht und Lust, ihr Leben nach dem Verlust eines geliebten Menschen zu gestalten.“

Welche Rolle spielt der christliche Glaube bei all dem für Sie?

Grützner: „Beim Thema Sterben, Tod und Trauer kommen existenzielle Fragen nach dem Sinn unseres Lebens auf und danach, ob es über und um uns noch andere Mächte gibt und woher ich die Kraft bekomme weiterzuleben. Das beantworten Menschen sehr unterschiedlich und das lasse ich so stehen. In meinem Leben hat der Glaube trotz allem tiefen Zweifel, den ich auch spüre, eine wichtige Bedeutung. Er ist für mich eine Kraftquelle. Auch in biblischen Geschichten können wir viel darüber lernen, was Menschen in Krisen hilft. Ich finde das großartig.“

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