Ex-Dezernent Dr. Stefan Kühn „Wertschätzender Blick auf die Menschen“

Wuppertal · Nach 24 Jahren wurde Dr. Stefan Kühn, Dezernent für Soziales, Jugend, Schule und Integration, verabschiedet. Er hat unter anderem an vielen Stellen eng mit der Diakonie zusammengearbeitet und gehört zur Gemeinde Reformiert Ronsdorf. Ein Interview.

 Dr. Stefan Kühn

Dr. Stefan Kühn

Foto: Christoph Petersen

Sie haben das „Soziale“ in Ihrer Tätigkeit als Sozialdezernent gelebt und wurden nicht ohne Grund bei Ihrer Verabschiedung liebevoll „Herz auf zwei Beinen“ genannt. Welches Menschenbild steht dahinter? Und was hat Sie über die Jahrzehnte hinweg angetrieben, sich für die Schwächsten in der Stadt einzusetzen?

Kühn: „Biographisch habe ich als Jugendlicher damit angefangen, mich intensiv mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und dem Grundgesetz auseinanderzusetzen. ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘“ – den ersten Artikel des Grundgesetzes habe ich immer so verstanden und gelebt, dass die Würde wirklich aller Menschen unantastbar ist – unabhängig von Herkunft, Muttersprache, Hautfarbe, Religion und sozialem Hintergrund. Das ist für mich zum Lebensmotto geworden.

Wenn man mit dieser Einstellung auf die Menschen zugeht, spürt man erst, wie viele tolle Menschen es in einer Stadt wie Wuppertal gibt. Die Vielfalt dieser Lebenswirklichkeiten, denen ich begegnet bin, war immer meine Kraftquelle. Und ich denke, das habe ich wie ein Echo zurückwerfen können. Dieser wertschätzende Blick auf die Menschen, den ich immer hatte und den ich hoffentlich auch weiter in mir behalten werde, war immer meine größte Motivation.“

Auch die bessere Verständigung der unterschiedlichen Kulturen und Religionen lag Ihnen sehr am Herzen. Wie schätzen Sie das Miteinander der unterschiedlichen Kulturen und Religionen in der Stadt ein? Auch mit Blick auf die Konflikte in der Welt?

Kühn: „Es gibt ganz viel gutes Miteinander und Nebeneinander der unterschiedlichen Kulturen und Religionen in der Stadt. Das wird Tag für Tag ganz selbstverständlich gelebt in der Schule, am Arbeitsplatz und im Freundeskreis. Zugleich beobachte ich aber auch mit zunehmender Sorge, dass an mancher Stelle der Hass auf Vielfalt offen ausgelebt wird. Und dass bei einigen Menschen die Angst vor Diskriminierung, Hass oder Abschiebung zunimmt.

Die internationale Lage und die Konflikte in der Welt führen zu schweren emotionalen Situationen: Da sind auf der einen Seite jüdische Menschen, die sich um ihre Angehörigen in Israel sorgen und auf der anderen Seite Menschen, die Angst um ihre Familien in Palästina haben. Das erleichtert das Miteinander natürlich nicht gerade. Grundsätzlich hat der Rechtsextremismus zugenommen. Das äußert sich auch im Internet. Wuppertal ist da zwar kein Hotspot, aber auch in unserer Stadt ist das Klima rauer geworden.

Dennoch kann das Miteinander gut funktionieren, wenn man offen aufeinander zugeht. Kurz vor Ostern hatte ich in diesem Zusammenhang eine hoffnungsvolle Begegnung, an die ich gerne zurückdenke. Ich habe der Kassiererin im Supermarkt, die ein Kopftuch trug und offenbar Muslima war, einen gesegneten Ramadan gewünscht. Sie hat sich darüber gefreut und mir gesegnete Ostern zurückgewünscht. Eine kleine Geste voller Respekt für das Gegenüber, die selbstverständlich sein sollte.“

Wie geht es für Sie persönlich weiter? Werden Sie sich ehrenamtlich engagieren? Oder vielleicht auch in Ihrer Heimatgemeinde Reformiert Ronsdorf?

Kühn: „Meine Leidenschaft für Wuppertal bleibt, genauso wie die Leidenschaft für soziale und gesellschaftliche Themen. Ich werde mich verstärkt in der Färberei einbringen in den Bereichen Kultur und Arbeit mit Behinderten.

Und in dem Integrationsprojekt .Krawatte‘ der Gemeinde Heckinghausen möchte ich Vorlesepate werden und die Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Auch in meiner Gemeinde werde ich mich gemeinsam mit meiner Partnerin verstärkt engagieren. Dort und an anderen Stellen werde ich mich als Basis-Aktivist und nicht als Funktionär einbringen, einfach weil es mir Freude macht.“