Interview: Wie entwickelt sich die Innenstadt unter dem Eindruck des FOC? "Jetzt werden die Weichen gestellt!"

Wuppertal · Die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) hat im Auftrag der Stadt die Ist-Situation des Einzelhandels in den Innenstädten von Elberfeld und Barmen unter die Lupe genommen, um auf dieser Grundlage das Einzelhandelskonzept zu aktualisieren.

 Matthias Zenker (Inhaber von Brillen Arlt am Turmhof und Mitglied der ISG Poststraße).

Matthias Zenker (Inhaber von Brillen Arlt am Turmhof und Mitglied der ISG Poststraße).

Foto: Bettina Osswald

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz sprach mit Matthias Zenker, Vorstandsmitglied der der Einzelhändler-Interessengemeinschaft "IG1", über die Ergebnisse.

Rundschau: Herr Zenker, mit Hilfe des Gutachtens sollen auch die Risiken und Chancen für den Einzelhandel durch die Ansiedlung eines Factory Outlet Centers (FOC) am Döppersberg analysiert werden. Sie sagen, ein entscheidender Faktor sei dabei, dass die Verbindung zwischen dem FOC und der Innenstadt funktioniert. Welche Stelle meinen Sie konkret?

Zenker: Es geht um die Verbindung der unteren mit der oberen Bahnhofsebene. Also vom Primark-Platz rauf zur Bahnhofsdirektion.

Rundschau: Warum ist diese in Ihren Augen problematisch?

Die Planungen sehen bislang eine Treppe vor. Die hat einen Höhenunterschied von sieben Metern. Für viele Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß oder mit vielen Einkauftaschen unterwegs sind, ist das eine Hürde. Es soll zwar auch einen Aufzug geben, aber nach jetzigem Stand fasst der gerade mal sechs bis acht Leute. Das ist zu wenig.

Rundschau: Sie glauben also, dass die FOC-Kunden den Weg in die Innenstadt scheuen, wenn es zu anstrengend wird?

Zenker: Exakt. Eine Treppe bedeutet immer ein Hindernis. Das wird eine der wichtigsten Aufgabenstellungen jetzt sein, die Verbindung zur Fußgängerzone architektonisch so barrierefrei wie möglich zu gestalten. Sonst verselbstständigt sich das Territorium rund um den Bahnhof.

Rundschau: Wie könnte das aussehen?

Zenker: Ideal wäre eine Rolltreppe, aber das ist leider nicht vorgesehen. Wenn man Aufzüge anbringt, sollten diese mindestens 20 Personen transportieren. Man muss außerdem am Bahnhofsvorplatz mit Schildern und einem Info-Pavillon auf die Attraktionen in der Innenstadt hinweisen. Die Besucher müssen das Gefühl bekommen: "Du musst da runter gehen, da spielt die Musik."

Rundschau: Ist das nicht übertrieben — so groß ist die Entfernung ja nicht?

Zenker: Man kann noch so nah dran sein und ist doch ganz weit weg. Das haben manche Straßen der Fußgängerzone schon nach Eröffnung der City-Arkaden gespürt.

Rundschau: Ein Ergebnis der Untersuchung ist, dass die einzelnen Innenstadt-Passagen und Plätze isoliert sind. Das klang bei einer Veranstaltung zur "Qualitätsoffensive Innenstadt" durch, als eine Architektin anmerkte, es gebe überall für sich Ecken, die gut funktionieren, es fehle aber eine Verbindung.

Zenker: Das stimmt absolut. Dem kann man aber gestalterisch entgegenwirken, indem man etwa das Kopfsteinpflaster so wählt, dass Verbindungen geschaffen, die Leute neugierig werden. Man kann durch verschiedene gestalterische Elemente den Besuchern vermitteln: Hier beginnt die Altstadt. Man kann kleine Hinweise anbringen und auf andere Plätze verweisen. Da gibt es bereits viele gute Ideen.

 Auf dieser — schon älteren — Illustration (JSWD Architekten Köln) lässt sich die umstrittene Treppe zwischen Bundesbahndirektion und erster Bahnhofsebene gut erkennen. Matthias Zenker sagt: „Diese Verbindung muss so barrierefrei wie möglich sein, damit die Kunden den Weg in die Innenstadt auch gehen.

Auf dieser — schon älteren — Illustration (JSWD Architekten Köln) lässt sich die umstrittene Treppe zwischen Bundesbahndirektion und erster Bahnhofsebene gut erkennen. Matthias Zenker sagt: „Diese Verbindung muss so barrierefrei wie möglich sein, damit die Kunden den Weg in die Innenstadt auch gehen.

Foto: JSWD Architekten Köln

Rundschau: Als Sorgenkinder werden im Gutachten das Rathaus-Viertel und die Poststraße genannt. Die würden unter einem FOC noch mehr leiden als ohnehin.

Zenker: Ja, das Gutachten fasst Erkenntnisse zusammen, die sich mit unseren Erfahrungen decken. Oberhalb des Neumarkts und hinter den City-Arkaden ist es problematisch. Aber auch da kann man gegensteuern, indem man bestimmte Filialisten dort anlockt.

Rundschau: Wenn das so einfach wäre, hätte man das doch längst tun können. Stattdessen gibt es viel Leerstand und die oft beklagten Ein-Euro- und Handy- shops. Auch das war ja ein Ergebnis des Gutachtens: Es mangelt in Wuppertal an Marken aus dem hoch- und mittelpreisigen Segment.

Zenker: Man kann das etwa mit Hilfe der Immobilien-Standort-Gemeinschaft (ISG) Poststraße lenken. Wenn man sich auf eine Liste verständigt, welche Filialisten man dort haben will, ist das durchaus realistisch. So eine Liste wird aktuell erarbeitet. Das ist die große Chance der ISG.

Rundschau: Und da machen alle mit?

Zenker: Wenn der Anfang gemacht ist, werden andere nachziehen. Wenn die ersten ihre Fassaden aufhübschen und gute Mieter anziehen, werden sich das andere auch überlegen.

Rundschau: Das klingt alles nach Aufbruch. So als würde die Innenstadt durch die FOC-Pläne aus dem Dornröschenschlaf gerissen.

Zenker: Ja. Dieser Zeitpunkt gerade ist sehr entscheidend. Jetzt werden die Weichen gestellt. Wenn wir den nutzen, werden wir in ein paar Jahren eine tolle Innenstadt haben. Das muss man allerdings völlig losgelöst von einem FOC betrachten. Mit einer attraktiven Innenstadt und interessanten Einkaufsmöglichkeiten ist Wuppertal wieder top!

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