Gasexplosion Gericht verurteilt Angeklagten

Wuppertal · Im Prozess um die Gasexplosion in einem Heckinghauser Wohnhaus hat das Landgericht den 54 Jahre alten Angeklagten wegen Mordversuchs an seinen ehemaligen Nachbarn verurteilt.

 Der Angeklagte mit seinem Verteidiger.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger.

Foto: Christoph Petersen

Der frühere Mitbewohner muss für sieben Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, nachdem der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft es angenommen haben.

Richter Jochen Kötter fasste zusammen: „Wir gehen davon aus, dass er wusste, dass zur Nachtzeit alle zu Hause waren. Und dass er sich gesagt hat: Mir ist das alles egal. Ich verabschiede mich hier auf diese Weise. Es sollte der letzte große Auftritt werden.“

Bei der Explosion am späten Abend des 23. Juni 2018 an der Lenneper Straße erlitten fünf Personen schwere Verletzungen, darunter der Angeklagte. Das Haus brannte aus und stürzte ein. Laut Zeugen ist ein Nachbar nun auf Pflege angewiesen und kann nicht damit rechnen, wieder gesund zu werden. Wie durch ein Wunder kam niemand zu Tode.

Gasexplosion in Wuppertal: Gericht verurteilt Angeklagten
Foto: Wuppertaler Rundschau/Christoph Petersen

Die Richter bemaßen die Strafe milder als die Staatsanwaltschaft, die zehneinhalb Jahre Gefängnis beantragt hatte. Die Lebensumstände, die Verzweifelung und die Alkoholisierung des Angeklagten würden eine Ausnahme rechtfertigen. Der alkoholkranke 54-jährige Mann hörte das Urteil mit ernster Mine an. Im Prozess hatte er die Geschädigten um Verzeihung gebeten und den Richtern erklärt, er habe sterben wollen. Er habe sich entschlossen, Erdgas einzuatmen.

Dazu habe er eine Leitung an einem Ofen gelöst. Ihm zufolge habe er sich dann eine Zigarette anstecken wollen und mit seinem Feuerzeug die Explosion unabsichtlich ausgelöst. Im Urteil biliigten die Richter dem Mann eine Extremsituation zu: „Seine Gedanken kreisten unablässig um die Frage, wie er seine getrennt lebende Frau zurückgewinnen konnte.“ An der Explosion widerum sei er schuld.

Das Gericht folgte in dieser Hinsicht Staatsanwalt Dr. Hauke Pahre, der klar gemacht hatte: „Er hat das Gas gerochen und das Zischen gehört. Vielleicht wusste er nicht, dass es völlig ungiftig ist. Aber dass man vom Einatmen nicht stirbt, rechne ich zum Allgemeinwissen.“ Außer dem Angeklagten befanden sich 20 Personen bei der Explosion in dem Gebäude, insgesamt sollen bis zu 40 Menschen betroffen gewesen sein.

Während der Zeugenaussagen baten Geschädigte teils die Richter um Hilfe: Sie hätten alle Habe verloren und hohe Rechnungen zu bezahlen. Sie wüssten nicht, wie es weitergehen solle. Eine Zeugin erschien mit ihrem neugeborenen Kind im Gericht. Sie sei schwanger aus der obersten Etage durchs Treppenhaus geflüchtet. Aus der Deckung hinter einem Mauervorsprung habe sie gesehen, wie ihr Zuhause einstürzte. Den Richtern sagte sie: „Ich fühle mich nirgends mehr sicher.“

Der Angeklagte sitzt die Strafe bereits ab. Die Justiz betreut ihn wegen seines Gesundheitszustands auf einer Pflegestation. Der Mann haftet für den Schaden. Allein den Neubau des Gebäudes bezifferte der Eigentümer auf mehr als 1,6 Millionen Euro.

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