Die Wuppertaler Mutmacher 2016 "Etwas, wofür ich brenne"

Wuppertal · 4.600 Kilometer und fünf Flugstunden legte Selly Wane zurück, um aus ihrer Heimat im Senegal nach Deutschland zu kommen. Der Weg, zu einer politischen Persönlichkeit zu reifen, dauerte Jahre. Heute hat die 40-Jährige zu ihrer Stärke gefunden und mit dem "Swane Café" einen Ort in der Luisenstraße geschaffen, an dem gesellschaftliche, politische und kulturelle Debatten geführt werden.

 „Ich war Anfang 30, als ich begriffen habe, dass ich mein eigenes Leben leben muss“, sagt Selly Wane über sich selbst.

„Ich war Anfang 30, als ich begriffen habe, dass ich mein eigenes Leben leben muss“, sagt Selly Wane über sich selbst.

Foto: Jens Grossmann

Ein multikultureller Treffpunkt mitten auf Elberfelds Vergnügungsmeile.

Schwarzer Pulli, um die Haare hat sie ein buntes Tuch geschlungen, der Blick ist offen. Selly Wane sitzt auf einem Barhocker und schaut gespannt zur Bühne. Es ist der Abschlussabend des Projekts "Das bin ich", einer Schreibwerkstatt, in der in den vergangenen Wochen 30 Porträts über Migration und Flucht entstanden sind. Geschichten, die unter die Haut gehen und der anonymen Gruppe der Migranten ein persönliches Gesicht geben.

So aufwühlend und dicht, dass auch das ZDF-Kulturmagazin "Aspekte" auf seiner Facebook-Seite auf das Projekt aufmerksam machte, das in Kooperation des Katholischen Bildungswerks, Arbeit & Leben Wuppertal und dem "Swane Design Café" entstanden ist. Ein "Herzensprojekt", sagt Selly. Es sind Abende wie dieser, an denen sie spürt, dass sie hier am richtigen Ort ist — und die das Café so einzigartig in Wuppertal machen.

Seit gut zwei Jahren gibt es das "Swane", das sich "Sweyn" oder "Swanii" spricht und sich aus dem Namen der Pächterin (Selly Wane) zusammensetzt. "Ich wollte eine Plattform bieten für Upcycling, Workshops, Kultur, Kunst und Politik", erklärt die Diplom-Ökonomin. Menschen sollen sich bei ihr begegnen, die sonst niemals miteinander in Kontakt gekommen wären. Sie sollen sich kennenlernen, ins Gespräch kommen, diskutieren. Menschen zusammenbringen — das war schon während ihres Studiums ihre Passion.

Kommilitonen, mit denen sie im gleichen Studentenwohnheim lebte, erzählen, dass die Küche — auch dank Selly — schnell zu einem beliebten Treffpunkt wurde. Es wurde zusammen gekocht, gegessen, gefeiert. Menschen unterschiedlicher Herkunft trafen sich dort. Sie hatte das Talent, Brücken zwischen den Menschen zu bauen. Vielleicht, weil sie selbst noch so neu war in Deutschland, in Wuppertal.

Sie war 20, als sie aus dem Senegal nach Deutschland kam. Sie wollte studieren, begann mit Elektrotechnik — ein großer Fehlgriff —, wechselte dann zu Wirtschaftswissenschaften. Anfangs, sagt sie, lebte sie in einer Seifenblase, blieb unter Menschen, die auch neu in Deutschland waren. Das Bild, das die Medien von der Gesellschaft zeichneten, gefiel ihr nicht. "Mir fehlte der positive Gedanke der Vielfalt, der Diversität", beschreibt Selly ihren damaligen Blick auf Deutschland. "Es ging immer um Anpassung, nie darum, die Vielfalt zu leben."

Sie, die im Senegal politisiert aufgewachsen war, vermisste bei vielen in Deutschland eine politische Haltung. Also begann sie selbst, sich zu engagieren — etwa im Ausländerreferat des AStA — und besuchte viele Seminare. Zu Entwicklungspolitik, Nachhaltigkeit, Gender, Menschenrechten. "Das hat mein Denken geprägt", blickt die 40-Jährige zurück.

Sie ist 28, als sie ihr Studium beendet. Es folgt eine Zeit, in der sie die Welt entdeckt. "Ich bin viel gereist. Und gereift. Ich habe so viele spannende Menschen kennengelernt — an so vielen Orten. Ihre Klarheit über ihre eigene Rolle in der Gesellschaft hat mich fasziniert", beschreibt Selly. "Ich war Anfang 30, als ich begriffen habe, dass ich mein eigenes Leben leben muss, unbeeindruckt von sozialem Status, gesellschaftlichem Druck und Wohlstand. Es war eine Wende in meinem Leben."

2009 kehrt sie nach vielen, vielen Reisen zurück nach Wuppertal und widmet sich — inspiriert durch ihre Besuche in Afrika — dem Thema Upcycling, also dem Recyceln von gebrauchten Materialien für Möbel. Sie eröffnet einen Laden auf dem Ölberg und vertreibt vor allem Produkte von jungen Handwerkern aus der senegalesischen Hauptstadt Dakar: Überzeugt davon, dass Unternehmen durch eine ethische und soziale Selbstverpflichtung auch erfolgreicher werden. Upcycling ist für sie ein politisches Statement.

Im Januar 2014 tauschte Selly Wane den Showroom an der Marien- gegen ein Café in der Luisenstraße. In den Räumen des ehemaligen "Luisencafés" konnte die engagierte Geschäftsfrau jetzt alle Facetten ihres Wirkens zusammenbringen — und in Wuppertal eine wichtige Lücke schließen. "Es ist eine Anlaufstelle für Menschen aus aller Herren Länder. Alternativ und auf der Höhe eines welterklärenden und weltverändernden Zeitgeistes, ein Ort mit Tiefgang", so beschreibt Wolfgang Rosenbaum als einer, der selbst an vielen politischen und journalistischen Projekten beteiligt ist, das "Swane".

Und auch der Wuppertaler Künstler Bodo Berheide ist voll des Lobes: "Das kulturelle Angebot ist fast grenzenlos, Musik-, Tanz-, Literatur, Filmveranstaltungen, Kunstausstellungen und Performances, Seminare, Diskussionen, gemeinsam Fremdes kochen und essen, alles das gibt es fast täglich. Das Café ist selbst ein Kunstwerk."

Selly ist angekommen. Bei sich und in ihrer gesellschaftlichen Rolle. "Ich habe etwas gefunden, wofür ich brenne. Das ist ein Privileg."

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