Die Wuppertaler Mutmacher 2017 "Schon grandios weit gekommen"

Wuppertal · Bürgerhaushalt, Open Government, "Offene Kommunen NRW", "Bündnis Unsere Stadtwerke", Bürgerbeteiligungsleitlinien-AG — und sogar Urban Gardening: Dieter Hofmann mischt sich ein, will Wuppertal weiterentwickeln und sieht deutliche Erfolge.

 Treffpunkt „Café Engel“: Nur einen Katzensprung von Dieter Hofmanns Arbeitsplatz erlebte die Rundschau einen Wuppertaler, für den das Engagement In Sachen transparenter, breit gefächerter Bürgerbeteiligung ein selbstverständliches Stück Begeisterung für Gegenwart und Zukunft (s)einer Stadt ist.

Treffpunkt „Café Engel“: Nur einen Katzensprung von Dieter Hofmanns Arbeitsplatz erlebte die Rundschau einen Wuppertaler, für den das Engagement In Sachen transparenter, breit gefächerter Bürgerbeteiligung ein selbstverständliches Stück Begeisterung für Gegenwart und Zukunft (s)einer Stadt ist.

Foto: Bettina Osswald

Wenn man sich wirklich engagiert ...

Eigentlich ging's ihm "immer schon" um Bürgerbeteiligung. Auch als das Wort genaugenommen noch gar nicht erfunden war. Dieter Hofmann, beruflich im Vertrieb einer IT-Firma aktiv, stammt ursprünglich aus Schwäbisch Hall, hat Politikwissenschaften studiert — und kam vor 25 Jahren aus Berlin nach Wuppertal. Um warm zu werden mit der Stadt, hat der heute 56-Jährige einige Zeit gebraucht. Dann aber hat er sich engagiert — und zwar auf so vielen Ebenen wie wenige andere in Wuppertal.

Dieter Hofmanns Interesse galt stets der Politik — und der Frage, wie soziale Bewegungen in der Geschichte funktioniert haben. Schnell wurde ihm klar, dass gerade in Sachen (erfolgreicher) soziale Bewegungen Wuppertal ein besonderer Ort ist — historisch und gegenwärtig. Sein Job in der Netz-Branche öffnete neue Türen, als es darum ging, mitzumachen, sich einzumischen: "Sogenannte Open-Source-Konzepte, also offene Projekte, bei denen auch andere mit dabei sein können, kennt man im Internet-Sektor ja längst. Als es möglich wurde, diese Verfahren auch im Bereich Bürgerbeteiligung anzuwenden, ging plötzlich vieles, was zuvor nicht darstellbar war."

Was Hofmann damit meint: Umfassende Informationsmengen stehen ständig zur Verfügung — inklusive der Technik, sich unkompliziert auszutauschen, zu diskutieren, einander 1:1 zu begegnen.

Und für Dieter Hofmann gehört das — neben Familie und Arbeit — zu den Säulen, auf denen er als aktives soziales Wesen ruht: "Ich beschäftige mich jeden Tag mit meiner Stadt. Das ist mein gesellschaftlich-politisches Hobby. Sprechen, schreiben, recherchieren, etwas in die Stadt hineingeben. Aber eben unbedingt immer im jederzeit transparenten Austausch mit anderen. Das ist für mich auf jeden Fall sinnvoller, als nur Leserbriefe zu schreiben."

Die Frage, die stets dabei im Vordergrund steht: Was kann man gemeinsam an und in Wuppertal verbessern? Dieter Hofmann ist dabei ebenso entspannt wie optimistisch: "Es gibt so viele Gruppen, an denen man sich beteiligen kann. Und wenn keine zu einem passt, gründet man einfach eine neue Gruppe.

Beispiele gefällig? Das Netzwerk "Offene Kommunen NRW", das sich — eine absolute Seltenheit — schon zum sechsten Mal in Wuppertal getroffen hat: Hier begegnen sich private Aktive, Politiker und Verwaltungsleute — arbeiten daran (Kommunal-)Politik sichtbar zu machen, Türen für echte Vor-Ort-Beteiligung zu öffnen, leicht funktionierende Technik-Strukturen und Zugänge zu entwickeln, Infos locker fließen zu lassen,

Entscheidungsprozesse offenzulegen. "Open Government" (= offene Regierung) ist das Schlagwort: "Wie wird die Stadt verwaltet und gestaltet, und was können die Bürger selbst dazu beitragen? Darum geht's. Das ist hochspannend", sagt Hofmann.

Oder das "Bündnis Unsere Stadtwerke": Hier will er mithelfen, dass Energieversorgung und Nahverkehr auch künftig gemeinwohlorientiert organisiert werden. Dann das Thema Bürgerhaushalt: Wenig "sexy", sehr zahlenlastig, aber sehr wichtig. Drei Bürgerhaushaltsversuche hat Hofmann schon miterlebt — mehr oder weniger erfolgreich waren sie. Jetzt läuft ein EU-Projekt, das das Thema auf ganz neue Füße stellen soll. Wuppertal ist als deutsche Pilotkommune dabei, bekommt ein Bürger-Planungsbudget.

Dieter Hofmann: "Wenn man auf 2009 zurückschaut, als angesichts einer scheinbar völlig verarmten Stadt alles begann, und viele Bürger wissen wollten, was man tun, wo man mitmachen kann, und nun sieht, wo wir heute stehen, kann ich nur sagen: Wir sind grandios weit gekommen."

Hofmann ist fest überzeugt: Nur mit modernen Formaten erreicht man viele Menschen — auch junge. Das zeigt sich ebenfalls beim Urban Gardening, der sozusagen anderen Mitmach-Seite von Dieter Hofmann. "Ich stamme von einem süddeutschen Bauernhof, habe meine Hände immer gern in der Erde gehabt. Ich genieße das sehr", so der Mann, der auf dem Nützenberg zu Hause ist. In der Interessengemeinschaft "Wuppertals urbane Gärten" hat Hofmann ein Forum gefunden, wie sich Menschen in Wuppertal ihre Natur wieder zurück-, in ihre Wohngebiete hineinholen können. Ein Rezept für diese "grüne" Erfolgsgeschichte der jüngsten Zeit: "Jemand muss es übernehmen, den Rahmen zu organisieren, dann folgen andere, die sich engagieren und kreativ selbst verwirklichen."

Klingt ganz einfach. Ist es aber nicht. Wer wie Dieter Hofmann Bürgerbeteiligungsthemen mit echtem Leben füllen will, braucht langen Atem, muss dicke Bretter bohren (wollen): "Sich mal ein halbes Jahr reinzuhängen, das reicht nicht. Bürger, Politiker und Verwaltung müssen sich gleichermaßen ernsthaft und dauerhaft engagieren. Wenn man aber zwei bis drei Jahre dabei ist, sieht man, wie viel sich bewegt hat. Ich finde das sehr ermutigend."

Warum? Weil sich zeigt, was in der Kommune wirklich möglich ist — quer über alle Generationen und Berufsgruppen hinweg. Und weil dabei aller Populismus austrocknet — angesichts echter Fakten, echter Machbarkeiten, echter (Mitmach-)Möglichkeiten.

Was ist denn Bürgerbeteiligung? Hofmann sagt zuerst, was sie nicht ist: "Dass Bürger sagen, was sie wollen, und dann einfach erwarten, dass das umgesetzt wird." Und weiter: "Wenn man aber im Gespräch mit allen Beteiligten Verfahren entwickelt, die funktionieren — das ist es. Und das ist nicht trivial, sondern eminent wichtig. Es funktioniert aber nur, wenn auf allen Seiten engagierte Leute mit am Tisch sitzen."

Wenn Hofmann erzählt, wo er überall mitmacht, wie reagieren seine Zuhörer dann? "Die Leute sagen mit immer wieder: Machen Sie weiter! Das gibt auch Kraft, zeigt, es macht Sinn."

Apropos weitermachen: Was steht zukünftig auf dem Programm? Ein umfassendes kommunales Wissens-Management aufzubauen. Einen Pool der Kenntnisse, die überall in Wuppertal vorhanden sind, und für die Verbesserung der Stadt genutzt werden könn(t)en. Dann würde es klappen, da ist Hofmann sicher, Fördermittel für die Stadtentwicklung noch viel mehr als bisher nach Wuppertal zu lenken.

Und noch etwas: Dieter Hofmann bricht eine Lanze für die Stadtverwaltung. "Ich bin immer wieder sehr überrascht, wie positiv man dort mit Bürgervorschlägen umgeht." Doch zu dünn besetzt sei sie — die Verwaltung. Deswegen geht es, daran glaubt Hofmann fest, in Zukunft darum, dass — zusammen mit den Bürgern der Stadt — die Rathausarbeitsplätze attraktiver gestaltet werden.

Hofmann: "Auch wenn anderswo mehr bezahlt wird, sollte der Satz 'Ich will unbedingt nach Wuppertal' kein Traum bleiben. Machbar ist das, wenn bei der aktiven Bürgerbeteiligung alle miteinander daran arbeiten, eine gute, attraktive Stadt zu entwickeln. Das zählt mehr als Geld."

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