Wuppertaler Schauspiel Gute Menschen = schlechte Witze?

Wuppertal · Groteske? Komödie? Satire? Nicht einfach zu beantworten, was „Café Populaire“ aus der Feder von Nora Abdel-Maksoud eigentlich ist. Das Stück ging jetzt virtuell über die Bühne des Theaters am Engelsgarten.

 Die schräge Wuppertaler Schauspiel-Viererbande von „Café Populaire“ (von links): Konstantin Rickert, Julia Meier, Madeline Martzelos und Stefan Walz. Nicht im Bild der auch auf der Bühne präsente Live-Musiker Clemens Gutjahr, der unter einem verspiegelten Eselskopf agiert.

Die schräge Wuppertaler Schauspiel-Viererbande von „Café Populaire“ (von links): Konstantin Rickert, Julia Meier, Madeline Martzelos und Stefan Walz. Nicht im Bild der auch auf der Bühne präsente Live-Musiker Clemens Gutjahr, der unter einem verspiegelten Eselskopf agiert.

Foto: Uwe Schinkel

In der etwa 90 Minuten langen Inszenierung von Regisseurin Maja Delinic präsentiert sich die von Ria Papadopoulou gestaltete Bühne als Wald aus von der Decke hängenden Box-Säcken plus einem runden, mobilen Podest. Mehr braucht’s nicht, um die vier Personen dieser schrägen Angelegenheit in Szene zu setzen.

Dreh- und Angelpunkt des Ganzen ist Svenja (Madeline Martzelos), ein gutes und gutmeinendes Mädchen – Hauptberuf Hospizclown. Sie möchte (wer möchte das nicht?) die Welt besser machen. Aber damit es es bekanntlich so eine Sache. Ihr politisch korrekter YouTube-Kanal für Humor ohne Diskriminierung mit dem zungenbrecherischen Namen „Humornismus“ (sprich Humor meets Humanismus) ist followermäßig ein Mega-Flop.

Was sich da abspielt, spielt im Original in einem Ort namens Blinden – schau, schau. In Wuppertal ist Barmen der Austragungsort für „Café Populaire“ – hört, hört.

Svenjas Kümmer-Objekte sind ihr Lieblingsproletarier Aram (Konstantin Rickert), der sich später als Gar-nicht-Proletarier entpuppt – und Püppi (Stefan Walz), die älteste Bewohnerin des Hospizes, die den Verlust ihres marxistisch-männlichen Ideal-Arbeiter-Ehemannes nie verwunden hat. Svenja möchte sowohl Aram als auch Püppi helfen, und schaut doch aus ihrer kulturell-gebildeten und nachhaltigkeitspolitisch natürlich blitzsauberen Perspektive in Wirklichkeit auf sie (vor allem auf Aram) herab.

So könnte das ewig weitergehen. Doch dann passiert was: Das Gasthaus „Zur Goldenen Möwe“, das sozusagen als Kulturhaus funktioniert (und in Wirklichkeit, aber das weiß noch niemand, Püppi gehört), soll neu verpachtet werden. Svenja bewirbt sich – mit einem Humor-Auftritt, der richtig was reißen soll.

Jetzt entfaltetet das Stück eine Überraschungsdimension: Svenja erlebt eine Abspaltung ihrer Persönlichkeit und sieht sich live mit dem einer Bühnenklappe entsteigenden „Don“ (Julia Meier) konfrontiert – der finsteren Seite ihres eigenen Inneren. Der „Don“ schert sich einen Sch... um Political Correctness, zieht brutal vom Leder, treibt üble Späße. Und kaum hat der bitterböse, alle Verlierer verachtende „Don“ die Regie übernommen, gehen die Online-Zahlen durch die Decke ...

Apropos „Don“: Obwohl sich Madeline Martzelos mächtig ins Zeug leugt, um die Mühen und inneren Zerrissenheiten ihrer Figur Svenja sichtbar zu machen, ist Julia „Don“ Meier mit Samtanzug, Schlangenleder-Imitat-Stiefeletten und aasig-rücksichtslosem Blick der Star dieses Abends. Was soll man sagen? Die Bösen kommen halt auf der Bühne immer besser als die Guten. Und wenn die Bühne „Social Media“ heißt, scheinbar ja sowieso ...

Konstantin Rickert gibt den unter dem Druck sozialer Deklassierung auch zwiegespaltenen Aram sehr gut. Und Stefan Walz sorgt als skuril bebrillte Püppi in einer Jogginghosenrolle für immer wieder starke Momente, die Emotion und Persiflage unter einen Hut bringen. 

Zurück zum Anfang: Groteske? Komödie? Satire? Ja – alles davon. Auch ein Spiegel für viele, die in dem Glauben leben, alles „richtig“ zu machen, und in Wahrheit doch nur als von „Oben-herab-Bekehrer“ und großzügige Trinkgeldgeber unterwegs sind. Oder ein Lehrstück darüber, dass es gesellschaftliche Klassenunterschiede erstens gibt und sie zweitens nicht durch Nettigkeit(en) aus der Welt geschafft werden können.

„Café Populaire“ wirft viele Fragen auf. Unter anderem auch diese: Warum heißt das Stück eigentlich so?

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