„Dream on – Stadt der Träume“ in der Knopffabrik Und dann und wann ein Bär, der weint

Wuppertal · Wenn Wuppertal, wie „Die Zeit“ am 2. März schrieb, das „neue Berlin“ ist, dann passt das außergewöhnliche Theaterprojekt “Dream on – Stadt der Träume“ exakt in dieses Bild. Genau wie die Location, die alte Knopffabrik an der Alarichstraße 18 in Barmen.

In „Dream on - Stadt der Träume" tanzt Thomas Braus zwischen Metallregalen in der alten Knopffabrik an der Alarichstraße mit Federn und Seifenblasen. Nur eine Traumsequenz von ganz, ganz vielen ...

In „Dream on - Stadt der Träume" tanzt Thomas Braus zwischen Metallregalen in der alten Knopffabrik an der Alarichstraße mit Federn und Seifenblasen. Nur eine Traumsequenz von ganz, ganz vielen ...

Foto: Wuppertaler Rundschau / sts

Was Anna-Elisabeth Frick, Christian Blechschmidt, vier Wuppertaler Bühnen-Schauspieler sowie zahlreiche im Rahmen eines Workshops gecastete „Traumfängerinnen und Traumfänger“ plus Künstler und Künstlerinnen, die mit dem Musik-Club „Loch“ in Verbindung stehen, hier auf die Beine gestellt haben, lässt, kurz gesagt, schlicht alles hinter sich, was es an traditionellem Schauspielpublikums-Feeling geben mag.

Träume sind es, die im Mittelpunkt stehen. Und damit das vielleicht Ungreifbarste im Leben eines Menschen. „Eine traumhafte Stadtvermessung“ lautet der Untertitel eines magischen Abends, der sich etwa 90 Minuten lang ohne Sitzplätze auf drei Etagen des historischen Industriekomplexes an der Alarichstraße entfaltet. Eine Reise ins Absurde, Abgründige, ins Schräge und Komische, ins Ungewisse und ins Faszinierende.

Wer nach einer konkreten Handlung fragt, wird keine Antwort finden. Folgt denn auch ein Traum einer Handlung? So viel steht fest: Alles beginnt in einem Schlafsaal unterm Dach. Dort lullt Schauspieler Stefan Walz, dessen Kostüm (und die der anderen Mitspieler auch) ein wenig an die Gewänder zen-buddhistischer Klosterbewohner erinnert, mit hypnotischer Stimme das entweder liegende oder sitzende Publikum sozusagen in den Schlaf. Durch leichtes Antippen wieder „erweckt“, geht es dann in kleinen Gruppen mitten hinein in die Traumwelt. Treppauf, treppab, durch Türen in zu entdeckende Räume – mal zusammen mit anderen, mal alleine. Jeder sucht sich (s)einen eigenen Weg.

Da kann sich mancher wünschen, mehr „an die Hand genommen zu werden“: Aber führt einen denn jemand durch einen Traum, wenn man schläft?

So viele, viele Facetten hat all das, was das komplette Ensemble aus eigenen und fremden Träumen zusammengesetzt hat: Eine groteske Gerichtsverhandlung, ein vernebeltes Zimmer, ein klingelndes Telefon, in das Schauspielerin Julia Meier „Opa! Ich dachte, du bist tot!“ spricht, eine Braut, die durch die Gänge rennt und „Ich will aber nicht heiraten!“ ruft, Thomas Braus, der zwischen Metallregalen mit Federn und Seifenblasen tanzt, Kevin Wilke, der von seltsamen Hintergrundgeräuschen begleitet Besucher flüsternd durch einen verwirrenden Maschinenpark führt, ein Deko-Tisch mit Schachbrett und Pferdekopf, ein dunkelrot beleuchteter Sarg, eine Malerin, die neben einem Intensivkrankenhausbett live abstrakte Kunst schafft, ein auf einem Richtblock zerschmetterter „blutiger“ Granatapfel – und dann und wann ein lebensgroßer Bär, der weint.

Die Liste der Traumsequenzen auf den Gängen, hinter Kontorfenstern sowie an anderen, immer wieder überraschenden Orten ließe sich endlos fortsetzen. Ob man alles gesehen hat, was es zu sehen gab? Man weiß es nicht – und es ist eigentlich auch egal.

Umgeben das Ganze von leisen, hypnotischen Soundteppichen und unaufdringlichen, aber wirkungsvollen Licht-Installationen. Wohin man tritt, wohin man sich wendet: Immer gibt es Abwechslung. Schon Gesehenes sieht anders aus, Neues passiert an Plätzen, die man meint, schon zu kennen.

Irgendwann klingt das Ganze aus, es ist zu spüren, dass der Abend sich dem Ende entgegen neigt – und in der Kantine treffen sich alle wieder.

Mit „Dream on – Stadt der Träume“ hat sich das Wuppertaler Schauspiel zusammen mit seinen Kooperationspartnern etwas Mutiges (zu-)getraut – und dafür großen Applaus verdient. Ein vorbildliches Wagnis! Dieses Projekt ist nur an dem Ort, wo es stattfindet, denkbar. Und es muss genauso sein, wie es ist. Wer dabei war, wird noch oft davon erzählen, vielleicht sogar mehrmals hingehen. Traumhaft!

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