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Oper: Grandios gesungen, sonst na ja

Oper : Grandios gesungen, sonst na ja

Früher war mehr Lebkuchen: In der Premiere von Humperdincks Märchenoper überzeugten vor allem die Wuppertaler Sinfoniker unter Leitung von Julia Jones und die erstklassige Besetzung. Die Regie ließ einen roten Faden vermissen.

In glücklichen Momenten entwickelt das Theater einen Zauber, dass man auf der Bühne einen Wald sieht, wo überhaupt kein Wald ist. In weniger glücklichen Momenten sieht man mit Stoff bespannte Gestelle aus billigen Holzleisten, in den leeren Bühnenraum gestellt und schlecht ausgeleuchtet, und dann schluckt man und sagt sich tapfer: Das soll jetzt der Wald sein. Leider gehört die Neuinszenierung von Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel" in die zweite Kategorie.

Dabei beginnt es ganz brav, ja geradezu bieder: Im etwas groß geratenen Holzhaus tollen Hänsel und Gretel unbeschwert herum wie in besten Märchenzeiten. Aber wenn die beiden in den Wald geschickt werden und Vater und Mutter realisieren, dass es da womöglich Hexen gibt, da fällt die Hütte auseinander, und vorbei ist's mit dem Illusionstheater. Großflächige (und schwer zu erkennende) Videoprojektionen zeigen zunächst allerlei Besen reitende Hexen — und später, am Hexenhaus, edle Konditoreiwaren. Die Kinder laufen derweil im besagten Wald aus ziemlich klapprigen Holzgestellen herum. Ob Regisseur Denis Krief, der gleichzeitig auch Bühnenbildner, Kostümbildner und Lichtdesigner ist, hinter der Realität eine Welt der Phantasie aufzeigen möchte? Leider bleibt die Regie viel zu ungenau.

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Statt der im "Abendsegen" besungenen 14 Englein erscheinen den beiden Schlafenden allerlei Kinder, die allerdings teilweise wie kleine Erwachsene aussehen — das sind die Kinder, die von der Hexe in Lebkuchen verzaubert wurden und am Ende befreit sind. Schlüssig wird der Gedanke nicht. Zur großen Hexen-Arie fällt dem Regisseur gleich gar nichts ein, und so nebensächlich wie hier ist wohl selten eine Hexe im Ofen verschwunden. Eine klare Linie, ein Konzept ist nicht zu erkennen. Da bleibt es bei vielen mal mehr, oft weniger gelungenen Einzelbildern, die sich nicht recht zu einem Ganzen fügen wollen.

Ganz anders die musikalische Seite. Generalmusikdirektorin Julia Jones gibt ihr Wuppertaler Operndebüt, und sie hat mit dem ausgezeichneten Orchester offensichtlich akribisch gearbeitet. Bis in die Details hinein hat die Interpretation Hand und Fuß, bei einem schlanken Orchesterklang findet sie einen sehr überzeugenden Weg zwischen Märchenspiel und Musikdrama und bleibt der wunderbaren Partitur mit planvoll angelegten Steigerungen und betörend schönen Klangwirkungen nichts schuldig. Leider hat der ansonsten ganz ordentliche Kinderchor nicht die Geduld, das sehr langsame Tempo beim ersten Einsatz "Erlöst!" mitzugehen. Und offenbar wurden drakonische Strafen jedem angedroht, der auch nur einen Sekundenbruchteil nicht zur Dirigentin schaut, was sicher seinen Grund hat, aber der szenischen Wirkung eher abträglich ist.

Gesungen wird grandios: Ein bessere Besetzung für Hänsel und Gretel als Catriona Morison und Ralitsa Ralinova mit jungen, übermütig leuchtenden Stimmen ist kaum vorstellbar, der mit viel Bayreuther Festspielerfahrung ausgestattete Alexander Marco-Buhrmester ist ein stimmlich schon überdimensionierter Vater (da kann Belinda Williams als Mutter nicht mithalten), Nina Koufochristou singt mit kleiner, aber hübscher Stimme Sand- und Taumännchen — und Mark Bowman-Hester ist mit markantem Tenor eine leichtgewichtige, insgesamt überzeugende Hexe.

"Hänsel und Gretel": weitere Aufführungen am 16., 18., 21., 23. und 26. Dezember sowie am 14. Januar, 16. Februar, 10. März, 8. April und 10. Juli. Karten gibt es bei der Kulturkarte unter Telefon 563-76 66 oder auf kulturkarte-wuppertal.de