Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn. Das sind sie, die dem Ganzen den Namen geben. Der Text stammt von Berthold Brecht, die Musik von Kurt Weill. Zwei Teile hat das, was Pina Bausch daraus gemacht hat – uraufgeführt 1976.
Im Opernhaus läuft die Wiederaufnahme – mit Ute Lemper, Melissa Madden Gray, Erika Skrotzki und Steffen Laube als außergewöhnlichen Gesangs- und Schauspielgästen.
Im ersten Teil, der „Die sieben Todsünden“ heißt, geht es um die Schwestern Anna I und Anna II. Sind sie gar eine Person? Kann sein.
Und es geht darum, wie viel von sich selbst verkauft werden muss, um ans vermeintliche Glück – hier ein Häuschen am Flussufer in Louisiana – zu kommen. Anna I, die „Kontroll-Schwester“, beherrscht Anna II, die „Opfer-Schwester“, treibt ihr die Todsünden aus, lässt sie das Häuschen verdienen, gibt deren Gefühle preis. Spielt dabei zielgerichtet das männlich dominierte Spiel mit. Ute Lemper mit beeindruckender Stimme und eiskaltem Blick zusammen mit der früher zum Ensemble gehörenden verletzlich-verspielten Stephanie Troyak: Ein großes Paar.
Die Männer drumherum – fast allesamt Ausbeuter, Frauen-Benutzer, Macht-Haber. Teilweise schwer auszuhalten. Weil es in den 30er Jahren wahr war und weil es heute noch immer wahr ist. Die gesungenen Kommentare der kleinbürgerlich-ängstlichen Anna-Familie mit Sergio Augusto, Mark Bowman-Hester, Sebastian Campione und Simon Stricker heucheln dazu, was das Zeug hält.
Dieser erste Teil ist harte Kost, an der man schwer kaut. Aber ein starkes Stück Kunst. Auch dank des von Jan Michael Horstmann engagiert geleiteten Wuppertaler Sinfonieorchesters im Rückraum der wüsten Bühnen-Ödnis. Und dann kommt „Fürchte dich nicht“, der zweite Teil dieses Tanzabends. Jetzt entfaltet sich – zu reihenweise großen Hits aus mehreren Brecht-Weill-Klassikern – die ganze Kraft des Tanztheaters. Und die seiner Gäste. Furios muss man das nennen, atemberaubend.
Nun schlägt die Stunde der rauen, starken Brecht-Sängerin Melissa Madden Gray, der nochmals schillernden Ute Lemper und auch der zauberhaften Schauspielerin Erika Skrotzki. Beängstigend „niedlich“ Schauspieler Steffen Laube, der mit Handschuhen und dem bigott-religiösen Song „Fürchte dich nicht“ eine junge Frau umwirbt – und sie dann, zur wilden Choreographie von „Moon of Alabama“, vergewaltigt.
Diese Frau tanzt Emily Castelli – furchtsam, verletzt, dann voller Wut und Kraft. Sie sticht heraus, wie auch Maria Giovanna Delle Donne, Julie Anne Stanzak oder Dean Biosca. Überhaupt, die Männer: Wie Frauen sind sie gekleidet, bewegen sich wie sie. Das ergibt aufsehenerregend bühnenfüllende Massen-Szenen. Im Wechsel mit einer eifersüchtigen Pelzmantel-Schlacht, dem Ensemble, das mehrfach selbst (und gut) singt – plus einer in Sachen Körperbeherrschung beeindruckenden lebendigen „Puppen-Stube“.
„Die sieben Todsünden“ sind weit mehr als nur diese sieben Todsünden: Zu sehen gibt es zweieinhalb Stunden getanztes Theater, das wirklich unter die Haut geht.