Kommentar zur Öffnung der Schulen Zu wenig Vorlaufzeit

Wuppertal · Dass sich die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen ein bisschen wie Versuchskaninchen fühlen, kann ich absolut nachvollziehen. Sie sind die ersten, die seit Donnerstag wieder im Klassenzimmer Platz nehmen dürfen - und auch müssen, sofern sie nicht an Vorerkrankungen leiden. Neben denjenigen, die sich ungerecht behandelt fühlen, gibt es aber auch diejenigen, die sich auf die Rückkehr an die Schule freuen und sie auch brauchen, um den Anschluss an den Lernstoff nicht zu verlieren.

 „Zu plötzlich und mit zu wenig Vorlaufzeit kam die Schulöffnung aber allemal“, sagt Redakteurin Hannah Florian .

„Zu plötzlich und mit zu wenig Vorlaufzeit kam die Schulöffnung aber allemal“, sagt Redakteurin Hannah Florian .

Foto: Rundschau

Dass sich Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen ein bisschen wie Versuchskaninchen fühlen, kann ich absolut nachvollziehen. Sie sind die ersten, die seit Donnerstag wieder im Klassenzimmer Platz nehmen dürfen – und auch müssen, sofern sie nicht an Vorerkrankungen leiden. Neben denjenigen, die sich ungerecht behandelt fühlen, gibt es aber auch diejenigen, die sich auf die Rückkehr an die Schule freuen und sie auch brauchen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ähnlich denken meiner Erfahrung nach viele Lehrerinnen und Lehrer. „Einige meiner Schüler sind völlig im Nirvana verschwunden“, erzählte mir letztens eine befreundete Pädagogin. Über Online-Unterricht sind leider nur die zu erreichen, die es auch wirklich wollen.

„Wir müssen ja Erfahrungen sammeln, wie es sich verhält“, sagt Dorothee Kleinherbers-Boden, Leiterin der „Else“, zur Schulöffnung. Und damit hat sie wohl recht. Wir können nur herausfinden, ob Schule trotz Corona-Pandemie möglich ist, wenn wir es versuchen. Und vor diesem Hintergrund klingt es plausibel, mit den Abschlussjahrgängen zu beginnen. Die richtige Umsetzung trotz Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln zu finden, stellt sich allerdings nicht ganz so einfach dar. Die Aufgabe, vor der Schulleitungen jetzt stehen, wirkt ein bisschen wie ein Irrgarten, durch den es den Weg zu finden gilt – zumindest für die ersten sechs Schultage, denn bereits am 4. Mai soll der Schulbetrieb weiter geöffnet werden, womit sich die Gänge des Irrgartens neu sortieren und die Aufteilung der Schülerkleingruppen auf Lehrer und Klassenzimmer zur unlösbaren Gleichnung wird.

Weniger als eine Woche Vorlauf blieb den Schulen, um Corona-konformen Unterricht vorzubereiten. Der knappe Zeitrahmen ist der größte Kritikpunkt. Dazu kommt, dass rund ein Drittel der Lehrer in NRW nicht einsetzbar ist. Sie gehören zur Risikogruppe. Nicht nachzuvollziehen ist meiner Meinung nach zudem, dass auch Viertklässler zu den so genannten Abschlussjahrgängen zählen. Welche Schulform sie nach den Sommerferien besuchen, steht sowieso schon längst fest.

Ob die Öffnung der Schulen zu verfrüht ist, darüber lässt sich unendlich streiten. Schließlich fehlen, wie Schulleiterin Kleinherbers-Boden richtig bemerkt, Erfahrungswerte. Zu plötzlich und mit zu wenig Vorlaufzeit kam sie aber allemal. In Wuppertal meldete sich in einem offenen Brief der Abschlussjahrgang des Berufskollegs Werther Brücke zu Wort: „Seit der Grundschule wird uns beigebracht, dass Respekt auf Gegenseitigkeit beruht. Wir wurden nicht ein einziges Mal nach unserer Meinung gefragt“, kritisieren die Abiturienten. Und auch damit haben sie Recht.

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