Abitur in der Corona-Krise „Der letzte Schultag war ein trauriger“

Wuppertal · Abiturprüfungen in der Corona-Krise, was macht das mit Schülerinnen und Schülern? Marina Wereschaev (Abiturientin am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium) und Professor Dr. Petra Buchwald vom Institut für Bildungsforschung der Bergischen Universität geben Antworten.

 Marina Wereschaev, Abiturientin am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium, hat sich den Abschluss ihrer Schulzeit definitiv anders vorgestellt.

Marina Wereschaev, Abiturientin am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium, hat sich den Abschluss ihrer Schulzeit definitiv anders vorgestellt.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Simone Bahrmann

Dass ein x-beliebiger Tag Mitte März Marina Wereschaevs allerletzter offizieller Schultag sein würde, damit hatte die Abiturientin nicht gerechnet. Nach einer Durchsage der Schulleiterin, dass der Unterricht ab sofort über das schulische Online-Portal zu Hause stattfinden werde, räumte die 17-Jährige ihren Spind und verließ das Schulgebäude.

„So habe ich mir meinen letzten Schultag nicht vorgestellt“, erzählt die Abiturientin des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums. Drei Wochen noch wären es bis zu den Osterferien gewesen. Drei Wochen, die man mit den Mitschülern hätte verbringen und in denen man bewusst hätte Abschied nehmen können. Und dann die allerletzte Schulwoche, in der der Abschlussjahrgang in der so genannten „Motto-Woche“ jeden Tag in einem anderen Kostüm zur Schule gekommen wäre. „Wir sollten in der letzten Schulwoche Spaß haben und feiern, dass wir die Schulzeit abgeschlossen haben. Stattdessen war unser letzter Schultag ein trauriger. Ich habe kein Gefühl der Abgeschlossenheit“, sagt die Schülerin nach vier Wochen, in denen sie ausschließlich alleine zu Hause gelernt hat – ohne Mitschüler und Lehrer. Direkten Kontakt pflegt sie nur noch zu ihrer Schwester und ihrer Mutter, die ebenfalls im Homeoffice arbeitet.

Aus dem Klassenzimmer plötzlich an den heimischen Schreibtisch verbannt zu werden und sich zum Teil eigenverantwortlich und selbst organisiert den Schulstoff erarbeiten zu müssen, fällt vielen Schülern sicher nicht leicht. Für die Wuppertaler Abiturientinnen und Abiturienten bedeutet dieser abrupte Abbruch der gemeinsamen Schulzeit jedoch viel mehr als den temporären Verlust sozialer Kontakte. Keine „Motto-Woche“, kein gemeinsames Abschiednehmen vor den Osterferien, keine gemeinsamen Abi-Lerngruppen, vermutlich auch kein Abi-Ball und keine Abschlussfahrt. All dem, worauf die Abschlussjahrgänge in den letzten Jahren hingefiebert haben, hat das Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Nur die Abiturprüfungen, die finden nach wie vor statt – nur rund drei Wochen später als ursprünglich geplant. „Und das ist die richtige Entscheidung, die Schüler sind darauf eingestellt“, so Professor Dr. Petra Buchwald vom Institut für Bildungsforschung der Bergischen Universität. Sie hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die Corona-Krise auf Abiturienten und Schüler auswirkt. „Die Zeit vor einer Prüfung ist extrem stressreich“, erklärt Buchwald. „Die Prüflinge haben sehr sorgenvolle Gedanken, nicht nur diejenigen mit Prüfungsangst. Und diese Gedanken werden sich steigern, je weiter man die Prüfungen nach hinten verschiebt.“

 Prof. Dr. Petra Buchwald vom Institut für Bildungsforschung.

Prof. Dr. Petra Buchwald vom Institut für Bildungsforschung.

Foto: Friederike von Heyden

Die bisherige Verschiebung der gymnasialen Abschlussprüfung um drei Wochen hält die Bildungsforscherin für vertretbar. Auch den Schulausfall vor den Osterferien sieht sie als nicht allzu dramatisch an. „Die guten Schüler wird das nicht stark treffen, die können die drei Wochen mit ihrer selbstbewussten Haltung nutzen und lernen, bei den Schlechteren allerdings steigert es die Nervosität.“ Dennoch gibt sie zu bedenken: „Der häusliche Schulunterricht trifft die bildungsfernen Haushalte natürlich mehr. Dort sind die Verhältnisse oft beengter, vielleicht gibt es nur einen Computer, keinen Rückzugsort, die Stimmung in der Familie ist schlecht.“ Generell würden Ängste rund um die Corona-Krise die Prüflinge zusätzlich belasten. Dass die Abiturprüfungen stattfinden, hält sie trotzdem für die richtige Entscheidung.

Auch Marina Wereschaev hatte nach der plötzlichen Schulschließung mit Unsicherheiten zu kämpfen: „Ich als Abiturientin habe mir schon große Sorgen gemacht, dass uns die letzten Wochen der Schulzeit als Vorbereitung auf die bevorstehenden Abiturklausuren fehlen würden.“ Allerdings, sagt sie, habe der Online-Unterricht für sie gut funktioniert. „Wann schreibe ich meine Abiturklausuren? Wird die Schule vielleicht doch wieder öffnen? Was passiert nach dem Abitur?“ Das sind Fragen, mit denen sich die 17-Jährige in den letzten Wochen immer wieder beschäftigt hat.

Dass jetzt feststeht, dass Abschlussprüfungen geschrieben werden, begrüßt die Wuppertalerin. „Wir haben schließlich zwei Jahre lang darauf hingearbeitet.“ Die Vorbereitungsphase hat sich Marina Wereschaev allerdings etwas anders vorgestellt: „Am schlimmsten war für mich die Nach-Hause-Fahrt, nachdem die Schule geschlossen wurde. Auf der Fahrt habe ich begonnen, zu realisieren, dass meine Schulzeit nun vorbei ist, ein großes Kapitel in meinem Leben.“

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