Kommentar Die Vorgänge schonungslos aufklären

Wuppertal · Am Anfang stand einmal die Kunst. Als Pina Bausch in den 70er Jahren ihre Vorstellung von Tanz in Wuppertal auf die Bühne brachte und das später weltweit gefeierte Tanztheater begründete, war es ihr egal, ob die Zuschauer etwas damit anfangen konnten oder nicht.

 Redakteurin Nicole Bolz.

Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Osswald

Sie wollte nicht provozieren, aber sie hatte eben diese klare Vorstellung, von der sie sich auch durch Buh-Rufe, Türenknallen und Drohungen nicht abbringen ließ. Dass man sie in dieser schwierigen Zeit gewähren ließ, hatte sie dem damaligen Generalintendanten Arno Wüstenhöfer zu verdanken, der sie schützte.

Heute gehört das Tanztheater zu 100 Prozent der Stadt, und seit dem Tod von Pina Bausch regiert dort ganz offensichtlich nur noch der Gedanke, möglichst viel Geld mit diesem Aushängeschild zu verdienen. Was passiert, wenn Menschen nur aus dieser Warte auf ein solch wertvolles kulturelles Erbe schauen, zeigt der deprimierende Fall der Kündigung von Adolphe Binder. Der Stadtdirektor Johannes Slawig, der eben auch als Kämmerer vor allem Freund von nackten Zahlen ist, engagierte zur Lösung eines Konflikts gleich zwei Personen aus dem Bereich der profitorientierten Wirtschaft. Die aber haben in einem solchen Kulturbetrieb, in dem es in erster Linie um andere Werte gehen sollte, nichts verloren! Und sie hatten traurigerweise nirgendwo einen Gegenpart, keinen Wüstenhöfer, der sich ihnen in den Weg gestellt oder der den Konflikt sensibel und neutral moderiert hat.

Mit einer McKinsey-Beraterin als Mediatorin und einem knallharten Wirtschaftsmann an der Führungsspitze ist ein Geist in die legendäre Lichtburg eingezogen, der dem ursprünglichen Gedanken dieses Tanztheaters diametral entgegen steht. Wo bleibt denn da das erforderliche Fingerspitzengefühl? Und selbst wenn alle Vorwürfe gegen Binder stimmen sollten: Würde dies ein solches Vorgehen rechtfertigen? Zurück bleibt der schale Nachgeschmack, dass sich hier ein paar machtverliebte Männer zusammengetan und sich gegenseitig versichert haben: Wir regeln das schon auf unsere Art.

Ja, ein Neuanfang ist diesem tapferen Ensemble von Herzen zu wünschen, ebenso wie eine Person, die aufrecht an seiner Seite steht. Aber ein echter Neuanfang kann nur gelingen, wenn diese dubiosen Vorgänge schonungslos aufgeklärt werden und den Tänzern transparent gemacht wird, was der Transformationsprozess genau für sie bedeutet ...

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