Der ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Jede Menge Favoriten im Eurovisions-Rennen

Wuppertal / Tel Aviv · Nun ist auch das 2. Semifinale in Tel Aviv für den ESC 2019 gelaufen. Die Entscheidung, wer von den 18 Teilnehmern es schaffen könnte, war keine Überraschung. Die Niederlande, Schweden, Russland und Norwegen waren für mich auf jeden Fall gesetzt. Von dem Schweizer Song „She got me“, gesungen von Luca Hänni, war ich ja schon vor Wochen begeistert.

 Norwegen wird hoch gehandelt.

Norwegen wird hoch gehandelt.

Foto: Peter Bergener

Aber da die Eidgenossen es schon seit fünf Jahren nicht mehr ins Finale geschafft haben, war ich hier etwas unsicher. Doch der Wirbelwind Luca tanzte und sang sich mit seiner modernen Nummer mit orientalischen Einflüssen direkt weiter. Ich würde mich über einen Sieg für ihn und die Schweiz sehr freuen!

Dieses Jahr einen Sieg vorherzusagen, ist, wie so oft in den Vorjahren, sehr schwierig, was aber auch die Sendung viel interessanter machen könnte, wenn die vorderen Plätze nur um ein paar Punkte voneinander liegen. Einer, der auch ganz weit vorne landen könnte, ist Duncan Laurence, der für die Niederlande „Arcade“ singt und neben Italien schon länger zu den Favoriten gehört.

Der Niederländer ist mir sehr sympathisch, was nicht nur daran liegt, dass er genau wie ich am 11. April geboren wurde, sondern eben an der Art und Weise, wie er sich bei der Pressekonferenz gab, aber auch wie er sein Lied live im Finale darbietet. Duncan Laurence, dessen Auftritt kurz mit „Ein Mann, ein Klavier, wenig Licht, viel Musik" beschrieben werden kann, füllt ganz allein mit dem gefühlvollen Song die ESC-Bühne.

Erst 2014 trat er erstmals in Erscheinung im Showgeschäft, als er an der Casting-Show „The Voice of Holland“ teilnahm und es dort im Team von Ilse DeLange bis ins Finale schaffte. Er singt dieses Lied am Klavier. Erinnerungen wie damals bei „Merci, Cherie“ von Udo Jürgens rüttelt er in mir wach. Sein ruhiger Song über den Trennungsschmerz, streckenweise mit Kopfstimme gesungen, lässt einen dahinschmelzen, vor allem wenn die Textzeile ertönt „Loving you is a losing game“! Duncan, das kann kein „Losing game“ für Dich beim ESC geben!

Duncan Laurence bei der Pressekonferenz.

Duncan Laurence bei der Pressekonferenz.

Foto: Peter Bergener

Eine richtige Euro-Pop-Hymne bekommen wir dieses Jahr von Norwegen zu hören. Spätestens nach der ersten Probe in Tel Aviv gehörte der Song zu meinen Top10. Das Musikprojekt „KEiiNO“ existiert erst seit Dezember 2018 und setzt sich aus den drei Musikern Tom Hugo, Fred-René Buljo und Alexandra Rotan zusammen, die Anfang März in Oslo den „Melodi Grand Prix 2019“ mit dem Titel „Spirit in the sky“ gewonnen haben und somit das Ticket für Tel Aviv bekamen.

Während der Refrain leicht mitzusingen und tanzbar ist, kommt einem der Bandname etwas sperrig auszusprechen vor. Aber das hat einen Grund, denn er kommt von „Kautokeino“. Das ist eine Gemeinde in der Finnmark, einst als Samensiedlung gegründet, in der Fred-René Buljo zur Welt gekommen ist. Im Mittelteil des Songs von performt er „Joik“, eine spezielle Technik der Samen, ein mit dem Jodeln verwandter Gesang. Damit soll es auch ein Tribut an die samische Kultur und deren Nähe zur Natur sein. Das Volk der Samen glaubt bis heute an die Kraft guter Geister. Mögen sie am Samstag im Finale bei ihnen sein und auch Punkte bescheren.

„Vive la France“! Wie fast jedes Jahr liebe ich auch das diesjährige französische Lied. Der 19-jährige Franzose Bilal Hassani mit marokkanischen Wurzeln und androgynem Auftreten liegt fernab vom Durchschnitt. Ich glaube, genau das scheint sein Erfolgsgeheimnis zu sein: Innerhalb kürzester Zeit hat er es unter die geheimen Favoriten für den diesjährigen Eurovision Song Contest geschafft, doch kann er beim Wettbewerb mit seiner Show ähnlich durchstarten wie 2014 Conchita Wurst?

Bilal Hassani mit den beiden Damen, die ihn auch bei der Performance begleiten werden.

Bilal Hassani mit den beiden Damen, die ihn auch bei der Performance begleiten werden.

Foto: Peter Bergener

Sein ESC-Beitrag „Roi“ wurde bei YouTube auf den verschiedenen Kanälen mehr als 16 Millionen Mal aufgerufen. So kommt er schon vor dem ESC-Finale auf eine Mega-Reichweite, und auch die Performance auf der Bühne unterstreicht den Song und seinen Text noch einmal grandios. Neben ihm, dessen Erkennungszeichen seine platinblonde Perücke, auffällige Schminke und Nickelbrille geworden sind, agiert eine Balletttänzerin, die eben äußerlich nicht dem Bild der typischen Balletttänzerin entspricht. Das letzte Mal gewann Frankreich 1977 mit Marie Myriam und dem Chanson „L’oiseau et l’enfant“. Nach über 40 Jahren könnte Bilal Hassani es tatsächlich schaffen, den Sieg mal wieder nach Frankreich zu bringen.

Nun, es gibt viele Favoriten dieses Jahr und es kann auch wieder Schweden gewinnen. Auch Russland hat gute Chancen. Wisst Ihr, Samstagfrüh nenn’ ich Euch mal meine Top 10, die ich mir vorstellen könnte.

Euch allen musikalische Grüße und guten Start ins Wochenende, Euer Euro-Music-Peter!

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