OB-Kandidatin von „Die PARTEI“ Mira Lehner: Mit Müll gegen Mieterhöhungen

Wuppertal · Mira Lehner kämpft bei der Kommunalwahl im September als einzige Frau um den Posten der Wuppertaler Oberbürgermeisterin. Mit der Rundschau spricht sie über alte weiße Männer, inhaltslose Vorurteile, erklärt, wie man mit Müll gegen Gentrifizierung kämpfen kann und warum „Die PARTEI“ unbedingt in Fraktionsstärke in den Stadtrat einziehen möchte. Partei-Kollegin Julia Wiedow sitzt beim Gespräch an ihrer Seite. Das Gespräch führten Hannah Florian und Milka Vidovic.

  Oberbürgermeister-Kandidatin Mira Lehner (li.) und Julia Wiedow, Politische Geschäftsführerin des „die PARTEI“-Kreisverbandes.

Oberbürgermeister-Kandidatin Mira Lehner (li.) und Julia Wiedow, Politische Geschäftsführerin des „die PARTEI“-Kreisverbandes.

Foto: Wuppertaler Rundschau/flo

Rundschau: Frau Lehner, warum möchten Sie eigentlich Oberbürgermeisterin werden?

Lehner: „Wir als ,Die PARTEI’ sehen es als unsere Aufgabe, Lokalpolitik humoristisch aufzuarbeiten, satirisch zu verarbeiten, Missstände aufzudecken und aufklärerische Arbeit für die Bevölkerung zu leisten. An all dem habe ich Interesse. Oberbürgermeister muss ich nicht unbedingt werden – oder gibt es einen Dienstwagen? Dann ja!

Rundschau: Warum sind Sie in „Die PARTEI“ eingetreten?

Lehner: „Ich habe das Bedürfnis, mich politisch zu engagieren. Die Riege dieser alten Männer in der Politik ist für mich einfach kein zukunftsweisendes Bild. Diese ganzen Kommunalparteien aus alten, weißen Männern, die sich gegenseitig Ämter zuschustern. Da sehe ich keinen Fortschritt drin.“

Rundschau: In der Vorstellung Ihrer Person als Oberbürgermeisterkandidatin haben Sie geschrieben, dass diese „alten, weißen Männer‘“ Ihnen Bauchschmerzen bereiten. Was tun Sie gegen diese Bauchschmerzen?

Lehner: „Ich habe keine Lust, mich mit Krähen um drei Würstchen zu zanken. Ich rede einfach so, wie ich rede, nehme kein Blatt vor den Mund. Sprachlich muss sich einiges ändern in der Politik. Ich finde es schade, dass andere Politiker Sätze wie ,Ich regiere die Bevölkerung’ sagen. Das würde ich nie sagen, ich möchte mit der Bevölkerung regieren. Wenn ich für jemanden regiere, dann sitze ich in der Kutsche und winke. Okay, das können wir natürlich auch machen, aber das wäre dann Monarchie und keine Kommunalpolitik. Übrigens, auch Frauen können alte weiße Männer sein.“

Rundschau: Was ist Ihre Definition eines alten weißen Mannes?

Lehner: „Ein alter weißer Mann ist für mich jemand, der auf seinen Privilegien beharrt, sich dieser Privilegien aber gar nicht bewusst ist, der jede Form von Miteinander als Verzicht sieht. Der Herr Amthor zum Beispiel, der ist 27 Jahre alt und ein alter weißer Mann. Frau Kramp-Karenbauer ist für mich auch ein alter weißer Mann. Es ist nicht so, dass ich prinzipiell keine älteren, männlichen Wesen mag. Es geht um den Charakter, der dahintersteckt.“

Rundschau: Sie sprechen frei Schnauze. Wie reagieren andere Politiker auf Sie?

Lehner: „Das kommt darauf an, wer die anderen sind. Es gibt Mit-Kandidaten, die das ganz angenehm finden und uns auch als das begreifen, was wir sind – eine satirische Partei. Dann gibt es Mit-Kandidaten, die empfinden das als Beleidigung, weil sie das Gefühl haben, dass ich das Ansehen dieses Amtes beschmutze oder beschädige. Diesen Leuten biete ich meistens an, unseren Kreisverband zu besuchen, damit wir gemeinsam an ihrem humoristischen Problem arbeiten können.“

Rundschau: Mit welchen Vorurteilen haben Sie persönlich und „die PARTEI“ zu kämpfen?

Lehner: „Frauen werden ja immer zuerst wegen ihres Aussehens kritisiert, egal, was man sagt oder wie man aussieht. Aber das ist mir egal. Der ,PARTEI’ an sich wird gerne totale Inhaltslosigkeit unterstellt. Im Prinzip wird uns immer vorgeworfen, dass wir von Politik überhaupt keine Ahnung haben.“

Rundschau: Haben Sie denn Ahnung?

Wiedow: „Um satirische Politik zu machen, muss man Ahnung haben. Sonst kann man die Themen nicht satirisch aufarbeiten.“

Rundschau: Zurück zur Inhaltslosigkeit: Drei Stichworte zu Ihrem Parteiprogramm.

Lehner: „Gentrifizierung: Da sind wir natürlich dagegen. Wir möchten gerne unsere Mieten weiter zahlen können. Um das zu erreichen, werden wir überall Müll in der Stadt verteilen. Zukunftsmobilität: Radwege, verkehrsfreie Innenstädte, Treppenlifte in der ganzen Stadt für ältere Menschen. Ich will ja auch mit 80 Jahren noch mobil sein. Und das Gemauschel im Stadtrat ist ein Thema. Wenn da Posten an Ehefrau, Schwager und Stieftante gleichzeitig vergeben werden, ist das für uns ein gefundenes Fressen.“

Wiedow: „Wenn wir dann im Stadtrat sind, machen wir das natürlich auch so.“

Lehner: „Das ist auch der Grund, warum wir in den Rat wollen. Wir sind neugierig. Unser Ziel ist es, in Fraktionsstärke im Rat zu sitzen. Das sind drei Sitze und dafür brauchen wir ungefähr drei Prozent der Stimmen. Falls sich die Leute jetzt fragen: Warum sollten wir eine Satire-Partei wählen? Dann sagen wir: Eben genau aus diesem aufklärerischen Gedanken.“

Rundschau: Und Sie möchten Müll in Wuppertal verteilen, um so die Gentrifizierung zu stoppen?

Lehner: „Richtig! Der Arrenberg ist ein gutes Beispiel, dort wohne ich selbst. Das ist ein ganz liebenswertes Viertel mit einem total süßen Stadtteilfest, einem multikulturellen Fußballturnier, es gibt einen kleinen Weihnachtmarkt. Der Arrenberg ist ein gesundes Viertel. Und dann kommen da ganz absurde Pläne mit irgendwelchen Hängebrücken für die geplante Bundesgartenschau. Dann soll auch noch Werbung gemacht werden, damit reiche Düsseldorfer in unser Viertel ziehen. Das will ich nicht. Und wenn ich das verhindert kann, indem ich Müll in den Straßen verteile, dann mache ich das.“

Rundschau: Bedeutet das also, Sie sind gegen eine Bundesgartenschau in Wuppertal?

Lehner: „Nein, hier können so viele Bundesgartenschauen stattfinden, wie gewünscht. Solange keine Wohnviertel beschädigt werden. Mir ist es egal, ob irgendwo 4.000 Blumen gepflanzt werden. Ich mag Blumen. Ich mag es aber nicht, wenn deswegen Mieten steigen. Deswegen auch unser Slogan ,Nur ein dreckiges Wuppertal kann auch ein vielfältiges Wuppertal sein’, denn es sieht ja so aus: Sobald man sauber macht, steigen die Mieten.“

Rundschau: Und wie stehen Sie zum Pina-Bausch-Zentrum?

Lehner: „Ich finde, Kunst ist wichtig für das Selbstbewusstsein einer Stadt. Ich glaube, dass dieses Tanztheater – wenn es gut gemacht wird, aber das bezweifle ich aktuell – der Stadt einen riesigen Gefallen tun kann. Wuppertal ist reich an Kultur, man muss sie den Leuten aber auch zugänglich machen. Warum gibt es nicht einen Tag, an dem Wuppertaler Museen kostenfrei besuchen können? Als Oberbürgermeisterin würde ich das durchsetzen.“

Wiedow: „Man könnte übrigens auch das Pina-Bausch-Zentrum aus Müll bauen.“

Lehner: „Ja, oder aus PET-Flaschen. Die würden ein tolles Licht auf die Bühne werfen. Wir sollten in dieser Stadt viel mehr aus Müll bauen. Vielleicht auch die Mauer am Döppersberg.“

Rundschau: Hat Ihnen die Corona-Pandemie einen Strich durch die Wahlkampf-Pläne gemacht?

Wiedow: „Wenn man noch keine Plätze im Rat hat, ist man dazu verpflichtet, Unterschriften zu sammeln. Wegen der Corona-Pandemie konnten wir bisher keine Wahlstände aufbauen und in den Straßen Unterschriften sammeln. Für eine OB-Kandidatur brachen wir 189 Unterschriften, die haben wir fast. Das Problem ist aber, dass wir aus allen 33 Wahlbezirken jeweils 12 Stimmen brauchen. Wir betreiben aktuell verstärkt Online-Wahlkampf und ziehen mit dem Bollerwagen durch das Stadtgebiet, verteilen kostenlos Bier, auf das wir unser Wahlkampf-Programm gedruckt haben.“

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