Wuppertaler Investitionsprojekte Risikoanzeige oder Streichliste?

Wuppertal · Was kann sich die Stadt Wuppertal in Zukunft noch an baulichen Investitionen leisten? Diese Frage steht im Raum, seit die Verwaltung hohe Risikozuschläge für Projekte des Gebäudemanagements ins Gespräch gebracht hat. Die entsprechende Drucksache, die offensichtlich auch den Verwaltungsvorstand spaltet, wurde am Dienstag (29. März 2022) erstmals im Finanzausschuss diskutiert – und ließ auch die Politik eher ratlos zurück.

 Bei der Sanierung der Realschule Leimbacher Straße droht eine Verdoppelung der Baukosten auf rund 50 Millionen Euro. Wegen solch böser Überraschungen steht das Investitionsprogramm des Gebäudemanagments jetzt auf dem Prüfstand.

Bei der Sanierung der Realschule Leimbacher Straße droht eine Verdoppelung der Baukosten auf rund 50 Millionen Euro. Wegen solch böser Überraschungen steht das Investitionsprogramm des Gebäudemanagments jetzt auf dem Prüfstand.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Simone Bahrmann

Der Problemkomplex ist vorige Woche von Oberbürgermeister Uwe Schneidewind, in dessen Zuständigkeit das städtische Gebäudemanagement (GMW) fällt, aufgezeigt worden (die Rundschau berichtete).

Inhalt: Um bei Bauvorhaben des GMW künftig keine bösen Überraschungen mehr zu erleben und komplett auf Nummer sicher zu gehen, sollen jetzt bei allen Projekten nicht nur 8,5 Prozent Baukostensteigerungen per anno für die nächsten fünf Jahre einkalkuliert werden, sondern zusätzlich noch anhängig vom Planungsstand auch pauschale Risikozuschläge von 10, 25 oder 40 Prozent einkalkuliert werden – je früher im Verfahren, desto mehr. Damit würden die Preise für Schulbauten oder etwa das Pina-Bausch-Zentrum in abenteuerliche Größenordnungen wachsen.

Oberbürgermeister Uwe Schneidewind schaltete sich angesichts der Tragweite eigens aus der Corona-Quarantäne per Video in die Sitzung ein, um die Vorlage zu erläutern. „Was hier vorliegt, ist der Einstieg in eine herausfordernde politische Diskussion. Es basiert auf dem, was wir in den letzten zwei Jahren an bösen Überraschungen im Hinblick auf Zeitverzögerungen und der Verlässlichkeit bei Investitionsvolumen erlebt haben“, so Schneidewind. Und führte die geplatzte Planung für Schulersatzbauten auf der Hardt sowie die Kostenexplosion bei der Sanierung der Realschule Leimbacher Straße als Beispiele an.

Das GMW sei dabei Opfer seines eigenen Erfolges und könne mangels ausreichender personeller Ausstattung nicht mit der Akuratheit planen, die man eigentlich braucht. Gleichzeitig gebe es aber auch Probleme bei den Planungs- und Steuerungssystemen des GMW, die derzeit mit Hilfe externer Berater untersucht werden. Hinzu kämen die massiven Baukostensteigerungen der letzten Monate. „Und niemand kann heute eine verlässliche Prognose dazu machen, wie sich diese Kosten in Zukunft entwickeln“, so der OB.

Als Konsequenz steht jetzt im Raum, kommende Projekte mit den kalkulatorisch erwähnten pauschalen jährlichen Kostensteigerungen plus der Risikozuschläge zu versehen. An diese beiden Punkte knüpft sich die entscheidende Frage in Richtung Politik, die offensichtlich auch den Verwaltungsvorstand spaltet:

Werden diese Zuschläge in die offiziellen Berechnungen und Beschlussvorlagen für städtische Investitionsvorhaben eingepreist oder nur nachrichtlich als Risikoanzeige mit aufgenommen? In Fall Nummer eins müsste die Stadt ihr Investitionsprogramm entsprechend drastisch zusammenstreichen und den aktuell in der Beratung befindlichen Doppelhaushalt für die kommenden beiden Jahre auf komplett neue Füße stellen. In Fall Nummer zwei könnten Kostenexplosionen drohen, die in keiner Finanzplanung abgebildet sind.

Im Verwaltungsvorstand ist das Meinungsbild dazu laut Schneidewind wie folgt: „Wir haben uns dafür entschieden, dass die 40 Prozent nur nachrichtlich als Risikoanzeige eingebaut werden, bei den 10 bis 25 Prozent haben wir noch keine abschließende Meinung, ob man das in die Kalkulation einbezieht.“ Außerdem gebe es noch einen Dissens darüber, ob die 8,5 Prozent jährliche Kostensteigerung in dieser Höhe richtig sind. Dazu wolle man sich noch einmal mit Sachverständigen beraten.

Klar ist für ihn aber: „Wenn wir das jetzige Investitionsprogramm betrachten, werden wir das weder von der Kapazität des GMW noch von finanziellen Möglichkeiten her umsetzen können. Wir müssen auch über andere Formen des Bauens nachdenken.“ Nächsten Montag wolle man über Anpassungen des Programms bei einer Klausur des Verwaltungsvorstands beraten, bei der auch das Stimmungsbild des Finanzausschusses berücksichtigt werden sollte.

Das blieb allerdings angesichts der komplizierten Situation, die an den Grundfesten der städtischen Haushaltsplanungen rüttelt, eher diffus. Klaus Lüdemann (Grüne) war nicht der Einzige, der in Frage stellte, ob der Haushalt unter diesen Voraussetzungen überhaupt wie geplant in einer Sondersitzung des Rates am 13. Juni verabschiedet werden kann. Gregor Ahlmann (CDU) stellte vorsorglich klar, dass die Projekt-Priorisierungen der Verwaltung nicht die der Politik sein müssten. Da müsse auch interfraktionell geredet werden, eventuell brauche man in dieser Situation auch externe Hilfe. Dass man noch keine abgestimmte Verwaltungsvorlage habe, mache den Zeitplan des OB praktisch unmöglich, fand Alexander Schmidt (FDP). Drastische Kürzungen im Investitionsprogramm sind aus seiner Sicht jedenfalls nicht die Lösung.

Erst im Januar hatte Stadtkämmerer Johannes Slawig dem Rat einen aktualisierten Haushaltsplanentwurf angekündigt, der vor allem Anpassungen wegen der extrem steigenden Energiekosten enthalten sollte. Für Mittwoch stellte er die vollständige Fassung auf dieser Basis in Aussicht, bei der fehle dann nur das Investitionsprogramm des GMW, über das jetzt neu diskutiert werden muss. Insgesamt hat die städtische Rechnung aber auch über die Bauprojekt-Problematik hinaus so viele Unbekannte wie noch nie.

Slawig dazu: „Auch wer schon länger dabei ist, hat eine solche Situation noch nie erlebt. In diesem Entwurf sind ja der Ukraine-Krieg und seine Folgen noch nicht berücksichtigt. Die sind im Moment volkswirtschaftlich auch nicht zu quantifizieren, aber sie werden massiv sein. Erste Hinweise auf Steuerausfälle und sinkendes Wachstum gibt es schon. Wenn wir da auf konkrete Zahlen warten, könnten wir wahrscheinlich bis Jahresende gar keinen Haushalt beschließen.“

Seine Empfehlung an die Politik: „Wir können es nur machen wie der Bund und jetzt einen Haushaltsplan in dem Bewusstsein beschließen, dass er nicht Bestand haben wird und wir dann einen Nachtragshaushalt als Ergänzung brauchen. Darauf müssen wir die Öffentlichkeit genauso einstimmen wie das der Bundespräsident gestern für ganz Deutschland getan hat.“

Am Ende nahm der Finanzausschuss die Verwaltungsdrucksache ohne Beschluss entgegen und spielte den Ball damit zurück an den Verwaltungsvorstand, der sich auf einen Vorschlag zur Vorgehensweise beim Investitionsprogramm einigen muss. Unabhängig davon wird das Thema zu einem weiteren Faktor bei den politischen Verhandlungen, die sich aktuell hinter den Fraktionskulissen rund um die vom Oberbürgermeister betriebene Ablösung des Stadtkämmerers und die Machtverhältnisse im Rat insgesamt abspielen.

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