Prozess vor dem Landgericht Von Drogenhandel und einem Hörgerät ...

Wuppertal · Es war der zweite Verhandlungstag, einige der Angeklagten hatten ein Geständnis angekündigt - und dann war plötzlich Schluss. Das Hörgerät einer der beiden angeklagten Frauen hatte den Dienst verweigert. Eine Ersatzbatterie durfte die 67-Jährige nicht bei sich haben - die lag derweilen in der Haftanstalt.

 Das Wuppertaler Landgericht.

Das Wuppertaler Landgericht.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Dennis Polz

Eilig wurde das Gerät vom Ohr gefummelt, der Anwalt schaute rein und siehe da: Es musste eine neue Batterie besorgt werden. Gut, dass ein Drogeriemarkt in Reichweite war: Dorthin jedenfalls war der Verteidiger geeilt, um seiner Mandantin zum „Mithören“ zu verhelfen. Dass man als Angeklagter einen Prozess nicht verfolgen kann? Das geht gar nicht vor Gericht!

Auch wenn derzeit im größten Saal des Landgerichts wegen Drogenhandels in einer ernsten Sache verhandelt wird, war noch Platz für eine solche Situationskomik und ein paar verstohlene Lacher. Hatte doch das Hörgerät seinen Dienst gerade dann versagt, als es um die Cannabis-Plantage des Sohnes der 67-Jährigen ging, in der sie auch selbst die Pflänzchen gehegt und gepflegt haben soll. Darüber geplaudert hatte einer der fünf mitangeklagten Männer, der die Wuppertalerin um ihren Job „beerbt“ hatte, als die anderweitig beschäftigt war.

Über Monate hinweg hatte der - bis zur Verhaftung - in der Plantage in einem Gewerbegebiet in der Geranienstraße die „Gartenarbeit“ übernommen. Was er zu erzählen hatte, las sich wie eine Anleitung zum Anbau von Marihuana. Die kleinen Pflänzchen wurden angekarrt, eingepflanzt, beheizt und gegossen. Zwischendurch wurde die Erde gelockert und gedüngt. „Die Kapseln mit dem weißen Pulver müssen abgeschnitten werden, damit die Pflanzen nicht zu sehr in die Höhe wachsen“, plauderte der Angeklagte munter drauflos. Dazu mussten noch die gelben Blätter entfernt werden - also eigentlich alles wie in einer ganz normalen Gärtnerei.

Viermal in der Woche sei er ins „Gewächshaus“ gegangen, das praktischerweise im selben Haus angesiedelt war, in dem er eine Putzstelle innehatte. Auch die habe er von der 67-Jährigen Wuppertalerin übernommen. Eigentlich war es deren Sohn, auf den der Vertrag für den Putzjob lief - der hatte ihn derweilen an seine Mutter und später an den Mitangeklagten delegiert. So fiel es auch nicht weiter auf, dass die „Gärtner“ im Bürogebäude in der Geranienstraße ein und aus gingen - schließlich waren sie ja zum Putzen dort.

Dafür gab‘s für den Angeklagten 450 Euro im Monat - mit der „Gartenarbeit“ zahlte er hingegen seine Schulden bei Tomi Z. ab, dem die Anklage die Organisation der Kurierfahrten von 75 Kilogramm Kokain und 90 Kilogramm Amphetamine ins europäische Ausland vorwirft. Stolze 30.000 Euro sollen es gewesen sein - und verschuldet hatte sich der „Gärtner“ nur deshalb, weil er bei einer der Kurierfahrten zu wenig Koks bei Tomi Z. an der Küllenhahner Straße abgeliefert hatte. Mit 20 Kilo hätte er nach Wuppertal kommen sollen - und dort angekommen, war es ein Kilo weniger.

Ausgesagt hatte sich am zweiten Verhandlungstag auch die 29-jährige Versicherungsangestellte, deren Lebensgefährte (34) ebenfalls auf der Anklagebank sitzt. Beide hatten in, mit Schmuggelverstecken ausgerüsteten Autos kiloweise Kokain nach Dänemark und Schweden gebracht. Sie sei mitgefahren, weil sie mit ihrem Freund eine gute Zeit habe verbringen wollen. Der habe sie vor der Übergabe der Drogen aussteigen lassen, um sie später wieder einzusammeln. Man habe zuvor über Jahre hinweg eine On-Off-Beziehung geführt und sich dann doch irgendwann verlobt.

Von der Anklage war nun zu hören, dass ihr Freund sie zur Tarnung mitgenommen habe. Sie sei damals mit dem gemeinsamen, mittlerweile neun Monate alten Sohn schwanger gewesen. „Er wollte den Mami-Jocker auspacken“, sagt sie über ihren Verlobten. Eigentlich habe man von dem Geld, das er als Feuerwehrmann und sie als Versicherungsfachangestellte verdient hätten, gut leben können. Ihr Freund habe allerdings mit den Kurierfahrten erst aufhören wollen, wenn das Kind geboren wäre. Das war im September 2018 - da saß er bereits in Untersuchungshaft und sie war gerade aus der Haft entlassen worden. Mittlerweile ist die Verlobung aufgelöst - sie wohnt bei ihren Eltern und er hofft darauf, seine Strafe im offenen Vollzug antreten zu können.

Es sind weitere 40 Verhandlungstage angesetzt, das Urteil wird im Oktober erwartet.

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