Der Sohn schickt Minderjährige auf den Strich. Und sie, die Mutter, soll die Mädchen zu den Freiern chauffiert haben. Sollte all das so gewesen sein, wie es die Staatsanwaltschaft einer in Wuppertal lebenden Bulgarin vorwirft, dann ging es in dieser Familie zu wie in Sodom und Gomorra.
Der Sohn ein Zuhälter? Die Tochter verkauft sich an Männer? Und die Angeklagte schaut dem Treiben ihrer Kinder nicht nur zu, sondern kutschiert die Mädels durch die Stadt, besorgt Wohnungen für das Treffen mit Freiern – und lässt sich dann auch noch von ihrem Sohn für ihre „Dienste“ bezahlen? So steht es zumindest in der Anklageschrift, die nun am Landgericht verlesen wurde. Der Tatvorwurf: Förderung sexueller Handlungen in fünf Fällen. Im Klartext: Beihilfe zur Zuhälterei.
Was zu Prozessbeginn an Vorwürfen vorgetragen wurde, ist für den Vorsitzenden Richter Dr. Karsten Bremer keineswegs juristisches Neuland. Fünf Jahre und sechs Monate Haft wegen Zwangsprostitution und Körperverletzung: So lautete im Juli 2024 das Urteil gegen den damals 19 Jahre alten Sohn der nun Angeklagten. Zwei Mittäter wurden ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt.
Dass Bremer unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte verhandeln lassen, dürfte auch daran gelegen haben, dass zwei der später Verurteilten – unter anderem der Sohn der nun auf der Anklagebank sitzenden Frau – zur „Gucci-Gang“ gehört haben sollen. Als 14-Jähriger hatten er und andere Jungs einen 70-Jährigen mit Tritten und Schlägen attackiert. Nach dem gewalttätigen Übergriff schwebte das Opfer in Lebensgefahr. Bis zu seinem Tod vor zwei Jahren blieb der Mann ein Schwerstpflegefall (die Rundschau berichtete). Bereits zuvor soll der jugendliche Intensivtäter, noch strafunmündig, zwischen 60 und 70 Straftaten verübt haben.
Und nun sitzt die Mutter auf der Anklagebank, die gegen sie erhobenen Vorwürfe lässt die 50-Jährige durch ihren Anwalt bestreiten. Ja, sie habe für ihren Sohn schon mal Fahrdienste übernommen. Mit Prostitution habe das aber nichts zu tun gehabt, „sowas gibt es bei mir nicht“. Geld habe sie von ihm auch nicht bekommen, an den Haushaltskosten habe er sich aber beteiligt. Dass sie gewusst haben soll, dass ihre Tochter anschaffen geht, sei „eine Frechheit“. Man wolle ihr unterstellen, sie sei „eine schlechte Mutter“.
Der Vorsitzende hakte nach: Eines der Mädchen habe bei der Polizei erzählt, dass die Angeklagte eine Wohnung besorgt haben soll, nachdem sie mit einem Freier aus dem Hotel geflogen sei. Auch im Auto soll sie die damals 14-Jährige herumgefahren haben. Von all dem will die 50-Jährige nichts wissen, die Namen in der Anklageschrift würden ihr nichts sagen.
Aus dem Prozess gegen ihren Sohn weiß man, dass die Mädchen sich anfangs selbst dazu entschlossen haben sollen, sich zu prostituieren. „Auch soziale Medien haben dabei eine Rolle gespielt“, so der Pressesprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, Wolf Tilman Baumert. Die Mädchen hätten sich Influencerinnen zum Vorbild genommen, die das Leben als Prostituierte verherrlicht haben sollen. Sie seien aktiv auf den Sohn der Angeklagten und die Mittäter zugegangen, um sie um „Schutz“ zu bitten. Dabei habe auch eine Rolle gespielt, dass die jungen Männer in Wuppertal „einen brachialen Ruf“ gehabt hätten und dafür bekannt gewesen seien, auch schon mal zuzuschlagen.
Als die Jugendlichen „aussteigen“ wollten aus der Prostitution, sollen die Männer zunehmend Druck ausgeübt haben. Was das für Folgen hatte, erzählte nun die Mutter eines der Mädchen im Gerichtssaal: Die Angeklagte kenne sie nicht, aber mit deren Sohn habe ihre Tochter zu tun gehabt: „Sie ging für den Herrn anschaffen.“ Ihr sei damals aufgefallen, dass das Mädchen nach „komischen Hotels“ gegoogelt habe. Sie sei dem nachgegangen und „auf Seiten gelandet, wo sich Kinder angeboten haben.“ Es sei ihr nicht gelungen, ihre Tochter „von den Leuten hier fernzuhalten“. Die mittlerweile Siebzehnjährige lebe jetzt in einer Jugendhilfeeinrichtung in Norddeutschland.
Der Prozess wird fortgesetzt.