Bialas fordert Entschuldigung von Wendt

Die Äußerungen des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, zu den Demonstrationen am Samstag (14. März 2014) in Wuppertal schlagen weiter hohe Wellen. In einem offenen Brief kritisiert der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas Wendts Vorwurf an Oberbürgermeister Peter Jung, zur Teilnahme an den Gegendemonstrationen aufgerufen zu haben.

 Der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas.

Foto: Martin Rulsch / Wikipedia

Der Wortlauf:

Sehr geehrter Herr Wendt!

Laut RP Online haben Sie in einem Interview am 15.03. erhebliche Kritik an den Wuppertaler Gegendemonstranten der Kundgebungen von Pegida NRW und salafistischer Gruppierungen geübt und insbesondere dem Oberbürgermeister Peter Jung unverantwortliches Handeln in Gestalt des Aufrufes zum Gegenprotest vorgeworfen.

Das Verbot einer Legida-Demonstration in Leipzig nannten Sie vor Wochen die "Kapitulation des Rechtsstaates" und einen "Offenbarungseid der verantwortlichen Politiker".

Bezug nehmend auf diese Äußerungen, insbesondere auf Ihre Stellungnahme zu den samstäglichen Wuppertaler Demonstrationen, komme ich als Wuppertaler Landtagsabgeordneter, Mitglied des Innenausschusses und ehemaliger Polizist nicht umhin, meiner größtmöglichen Irritation Ausdruck zu verleihen. Die Demonstrationen fanden auf dem Boden des Wuppertaler Wahlkreises, den ich im Landtag vertrete, statt.

Hätte es Ihnen, frage ich, stellvertretend für viele, nicht besser angestanden, die Rechtsextremen und Fundamentalisten zu tadeln als den Aufruf zum Aufmarsch der Anständigen?

Sie betätigen sich scheinbar als Einbläser der Salonfähigkeit von Rechtsextremen auf unseren Straßen und verunglimpfen die demokratische Gegenbewegung der Demokraten.

Angesichts der von Dresden ausgegangenen Demonstrationswelle, getragen von fremden- und islamfeindlichem Ressentiment, werte ich es als unbedingt wünschenswerten Ausdruck einer lebendigen freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wenn Menschen friedlich auf die Straße gehen und für ein vielfältiges, tolerantes, weltoffenes Gemeinwesen die Stimme erheben.

Insofern besteht aus meiner Sicht geradezu die Erwartung an Stadtoberhäupter und politisch Verantwortliche, sich für solche Gegenkundgebungen auszusprechen und breite gesellschaftliche Bündnisse in diesem Sinne zu begrüßen.

Wollen Sie, Herr Wendt, den Extremen die Straße überlassen? Genießt deren Wahrnehmung des Demonstrationsrechtes einen privilegierten Status? Das wäre ein sehr bedenkliches Verständnis unseres Grundgesetzes und unserer Werteordnung.

Auf der Gegenkundgebung auf dem Wuppertaler Kirchplatz haben beispielsweise Ilka Federschmidt, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime NRW, Samir Bouaissa, Mohamed Abodahab, Interessenverband der Wuppertaler Moscheen, der Landtagsabgeordnete Josef Neumann, der Vorsitzende des Wuppertaler Integrationsrates, Helge Lindh, gesprochen.

Sind etwa diese Institutionen und die sie vertretenden Personen aus Ihrer Sicht der Entstehungsquell besonderer Gefahren?

Verbale Einwürfe der Art, wie Sie sie mit Ihrem Statement praktizieren, sind letztlich Kritik an der Gemeinschaft der Demokraten, an Wuppertaler Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, und an Geschmacklosigkeit schwerlich zu überbieten.

Politisches Kalkül scheint indes Motivation eben dieser verbalen Attacken zu sein.

Unter diesen Umständen muss ich leider feststellen: Eine ernstzunehmende Gewerkschaft für Polizisten kann sich eine derartige Spitze kaum erlauben. Sie erweisen der Polizei in unserem Land damit einen schlechten Dienst.

Polizistinnen und Polizisten wie auch die Einsatzleitung haben am vergangenen Samstag mit großer Besonnenheit, Vernunft und Sachlichkeit agiert.

Dieses Handeln unterscheidet sich signifikant von Ihren Kommentaren eines Außenstehenden, die gewiss nicht als die Positionierung der Polizistinnen und Polizisten zu deuten sind. Sie offenbaren sich eher als politisches Bekenntnis des Herrn Wendt.

Ihre Bewertungen und öffentlichen Urteilen erwecken wiederholt den Eindruck einer Schieflage. Man ist versucht, Ihnen erneut zuzurufen: "Nicht Rechts, sondern auf dem Boden des Rechts." Selbiger scheint Ihnen als Fundament Ihrer Argumentation ins Schwanken geraten zu sein.

Etwas vermisse ich nämlich. Wo bleibt die glasklare Kritik an denen, die gegen die Demokratie, gegen unsere tatsächlichen Werte, gegen Humanismus und Aufklärung Aggression und Hass auf die Straße tragen?

Nein, stattdessen kritisieren Sie den Oberbürgermeister der Stadt, die sich gegen den Aufzug der Intoleranz und gegen die Beschwörung des Vorurteils stellt.

Wuppertaler Bürgerinnen und Bürger verwehren sich dagegen, schweigend hinzunehmen, dass ihre Stadt von anreisenden politischen Extremisten und salafistischen Fundamentalisten zur Versammlungsstätte auserkoren wird.

Der Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, ist aus Sorge um seine Familie, aus Angst vor rechtsextremistischen Anfeindungen und Aufmärschen vor seinem Haus zurückgetreten. Sie werden sich erinnern. Gerade in Zeiten, in denen Bürgermeister zurücktreten, da sie keinen hinreichenden Rückhalt im Kampf gegen die Nazis erhalten und sich allein gelassen fühlen, sind öffentliche Aufrufe und die Folgeleistung durch die Bürgerschaft wichtig.

Wen erreichen Äußerungen wie die Ihrigen? Womöglich den sich selbst inszenierenden braunen Pöbel auf der Straße. Gewiss werden sie aber nicht dem breiten gesellschaftlichen Engagement, das sich dagegen artikuliert, gerecht. Vielmehr kommen sie einer Diskreditierung der aufrechten Bürgerinnen und Bürger gleich.

Was wollen Sie? Wollen Sie ernsthaft, dass Wuppertal im braunen Sumpf versinkt und den gleichen Ansehensverlust erleidet, wie er Dresden droht?

Wuppertal hat das Wochenende dank einer intakten Zivilgesellschaft und einer konsequent handelnden Polizei gut überstanden. Wir stehen zusammen, über Religionen, Nationen, Parteien hinweg.

Herr Wendt, entschuldigen Sie sich bei Oberbürgermeister Peter Jung und den Wuppertaler Bürgerinnen und Bürgern.

Mit Grüßen

Andreas Bialas

Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages

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