Leserbrief „Expertenrat für neue Akzente nutzen“

Betr.: Wuppertaler Innenstadtentwicklung

 Blick von der Alten Freiheit hoch zum Hauptbahnhof.

Blick von der Alten Freiheit hoch zum Hauptbahnhof.

Foto: Achim Otto

Verwandten- und Freundesbesuche führen uns in unregelmäßigen Abständen nach Wuppertal. Zuletzt wurde im Vorfeld eines solchen Besuches unsere Neugier auf besondere Weise geweckt: durch einen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. Februar über die goldenen Bänke und einen weiteren in der „Zeit“ vom 2. März über Wuppertal als das „neue Berlin“.

Vielleicht ist es für Sie von Interesse, diesbezüglich die Eindrücke eines „Touristen“- Paares aus der Region München zu erhalten.

Zu allererst springt dem mit dem Zug angereisten Besucher auf dem Bahnhofsvorplatz ein überdimensionierter, protziger Goldklotz ins Gesicht. Man reibt sich die Augen. Was will dieses Monstrum an dieser Stelle dem Ankömmling sagen? Neuer Glanz statt rußiger Historie? Glamouröser Konsumtempel im Zeitalter des Kaufhaussterbens als neueste Attraktion? Architektonisch ist der Bau gewiss interessant (er hat ja wohl einen Architekturpreis bekommen) – aber was soll er an dieser Stelle? Warum schiebt er sich derart aufdringlich in die Sichtachse? Will er wirklich eine historisch gewachsene Stadtkulisse aus dem Blick räumen?

Inspiziert man den Bau von innen, so wird das Ganze vollends absurd: Anstelle des von außen versprochenen edlen Luxusangebotes wird in einer überdimensionierten Lagerhalle, auf schreienden Schildern billigste Ramschware angepriesen. Ist dies das neue Markenzeichen von Wuppertal?

Der Eindruck verfestigt sich, wenn man die neu zubetonierte Promenade hinunterläuft: Auf beiden Seiten reihen sich 08/15-Billigshops und Fressbuden, die zum Zentrum und schließlich zu den berüchtigten goldenen Bänken führen. Diese sind zum Glück dezenter als erwartet, dafür in überraschend hoher Anzahl und in dichter Ansammlung in die Fußgängerzone gestreut. Aber Bänke? Sitzbänke? Kein Möbel ist weniger zum Sitzen oder gar zum müßigen Verweilen geeignet als diese kastigen Teile. Mit ihren Trennleisten taugen sie nicht einmal zum Draufliegen, geeignet sind sie allenfalls für ein schnelles Selfie.

Das ist pure Gold-Verschwendung, denn bei so viel geplanter Unbequemlichkeit und Ungemütlichkeit wird sich kein Tourist lange dort aufhalten, und von einem Besuch wird er eher abraten …

Wenn es schon darum geht, die Stadt für ihre Bewohner und für Touristen attraktiver zu gestalten, dann hat Wuppertal (abgesehen vom Vorzug seiner hügeligen Lage) weitaus eindrucksvollere Ikonen und Attraktionen zu bieten, die städteplanerisch ins Zentrum gerückt werden, und an die jede Neuerung anknüpfen sollte: die Schwebebahn, das Von der Heydt-Museum, den Zoo, die Jugendstil-und Gründerzeit-Villen, und nicht zuletzt die bislang dem Verfall preisgegebene Industriearchitektur (siehe „Zeit“-Artikel).

Anstatt zum Beispiel letztere vor sich hinrotten zu lassen, könnte man daraus interessante städtebauliche Zentren und Anziehungspunkte entwickeln. Über die bestehenden Baudenkmäler existieren ganz wunderbare Bücher von Fachleuten, die viel von Kunst, Architektur und Historie verstehen. Warum sind diese Bücher zum Beispiel nicht im Tourismusbüro ausgestellt? Warum wird dort nicht einmal auf sie hingewiesen?

Die Kenntnisse, die Erfahrung und den Rat solcher Experten sollte man wertschätzen und bei Planungen einbeziehen, wenn es darum geht, neue Akzente im Stadtbild zu setzen und Stadtteile neu zu gestalten und aufzuwerten.

Dann würde man nicht bei einer sündteuren Ansammlung von unfunktionalen Goldbänken und sinnleeren Goldtempeln landen, die mit Wuppertal nichts, aber auch gar nichts zu tun haben – und als „Markenzeichen“ einfach nur lächerlich wirken.

Ursula und Peter Hoffmann

● Leserbrief an die Wuppertaler Rundschau: redaktion@wuppertaler-rundschau.de
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