Das neue Stück im Taltontheater Wie viel Wahrheit hält eine Ehe aus?

Wuppertal · Im Fußball gibt es den Videobeweis und er ist nicht unumstritten. Wie sinnvoll kann es daher sein, sich in seiner Ehe von solchen filmischen Momentaufnahmen leiten zu lassen? Dieser Frage geht das Taltontheater (TTT) in seiner neuen Produktion „Der Videobeweis“ nach. Die Premiere des Stücks von Sébastien Thiéry kam beim Publikum sehr gut an.

Miriam Kalkreuth und Patrick Schiefer in "Der Videobeweis", der aktuellen Inszenierung des Taltontheaters.

Foto: Joachim schmitz/Joachim Schmitz

Es geht um das Ehepaar Jean-Marc (Patrick Schiefer) und Justine (Miriam Kalkreuth), das seit 15 Jahren verheiratet und nicht immer ganz ehrlich zueinander ist. Plötzlich erhalten die beiden Links zu Videofilmen, die ihre Lügen entlarven. Wer schickt diese Mails und warum? Wie kommt eine Kamera in ihre Wohnung? Regisseur Benjamin Breutel setzt die Probleme und Geheimnisse einer Ehe, die plötzlich für alle sichtbar werden, geschickt in Szene.

Die rund anderthalbstündige Aufführung (plus Pause) bietet beste Unterhaltung und jede Menge Möglichkeit zur Selbstreflexion: Hat nicht jeder schon einmal geschwindelt? Aber was würde es für die Beziehung bedeuten, wenn das ans Licht käme?

Die beiden Schauspieler sind in ihren Rollen absolut authentisch und harmonieren perfekt. Die Fülle an Gefühlen, die sie darstellen, erreicht das Publikum. Es gibt viel zu lachen, zudem ein bisschen Nervenkitzel. Patrick Schiefer überzeugt als Ehemann, der seine Frau liebt, ihr dennoch fremdgeht, ihre Kochkünste verabscheut, ihr aber vorspielt, alles sei prima. Mal ist er gelangweilt, dann angewidert, mal tanzt er ausgelassen durchs Wohnzimmer, dann leidet er an Wahnvorstellungen – oder ist das, was passiert, Wirklichkeit?

Justine bestiehlt ihren Ehemann und hat noch andere Geheimnisse. Miriam Kalkreuth legt ihre Figur so an, dass sie immer die Contenance bewahrt, ihre Gefühle dabei trotzdem sichtbar werden – über ihr Mienenspiel oder plötzliches Geplapper.

Das Bühnenbild entspricht ganz der Breutelschen Bühnenästhetik: helle Farben, viel Projektionsfläche im doppelten Wortsinn. Das Stück spielt im Wohnzimmer des Paares. Es gibt eine weiße Wohnwand mit einer Durchreiche zur Küche. Im Bücherregal stehen zwar Bücher, aber die Cover sind alle weiß. Das einzige Bild ist ein Comic, da Justine einen Comic-Verlag besitzt. Die Handlung könnte also überall spielen.

Diese weiße Wand ist gleichzeitig die Leinwand für die Videobeweise, die die Figuren auf ihren Handys oder Laptops anschauen. Dabei sitzen oder stehen sie am Esstisch. Der Tisch und die vier Stühle passen nicht zueinander, alle haben unterschiedliche Farben und Formen. Je nach Gefühlslage sitzen die Figuren mal nah nebeneinander oder sich entfernt gegenüber. Helle Blumen auf dem Tisch unterstreichen die eigentlich harmonische, aber etwas langweilige Atmosphäre, die jäh von den Filmen zerstört wird.

Wie viel Wahrheit hält eine Ehe aus? Regisseur Breutel schreibt dazu im Programmheft: „Der besondere Reiz der Inszenierung liegt für mich in der Frage: Sollte nicht manches lieber geheim bleiben, damit das Vertrauen zueinander nicht verloren geht?“. Die Antwort liefert das TTT in der vom Premierenpublikum bejubelten Inszenierung von „Der Videobeweis“. Anschauen und mitdenken lohnt sich!

Taltontheater, Wiesenstraße 118, Telefon 0202 / 24 79 860. Karten und Termine auf www.taltontheater.de