Oper: Schneider-Intendanz endet mit Monteverdis „Poppea“ Im alten Rom läuft’s wie im „Denver-Clan“

Wuppertal · Claudio Monteverdis Barockoper „Die Krönung der Poppea“ funktioniert auch im 1980er-Gewand.

 Intrigen wie im „Denver-Clan“: Poppea (Ralitsa Ralinova, links) will den Platz von Ottavia (Anna Alàs i Jové) an der Seite von Nero (Catriona Morison) einnehmen. Nur muss sie die Rivalin und kaiserliche Ehegattin dazu irgendwie loswerden ...

Intrigen wie im „Denver-Clan“: Poppea (Ralitsa Ralinova, links) will den Platz von Ottavia (Anna Alàs i Jové) an der Seite von Nero (Catriona Morison) einnehmen. Nur muss sie die Rivalin und kaiserliche Ehegattin dazu irgendwie loswerden ...

Foto: Jens Grossmann

Zunächst ein Geständnis: Ich habe nie eine Folge des „Denver Clan“ gesehen. Und auch bei „Dallas“ bin ich der Erinnerung nach nicht über eine halbe Folge hinausgekommen. Dabei wären Kenntnisse dieser Serien-Highlights der 1980er-Jahre nicht schlecht für diese Theaterrezension, denn Immo Karaman (Regie und Bühne) und Fabian Posca (Kostüme und Choreographie) spielen in ihrer Inszenierung von Claudio Monteverdis Oper „Die Krönung der Poppea“ aus dem Jahr 1642 genau darauf an.

So sehr unterscheiden sich die Intrigen um Macht, Reichtum und Sex am Hof des römischen Kaisers Nero schließlich nicht von denen der amerikanischen Öl-Clans. Und dieses Konzept geht ziemlich gut auf.

Kurz zur Handlung: Die ambitionierte Poppea strebt mit hohem Körpereinsatz den Platz an der Seite von Kaiser Nero an, nur muss der erst einmal seine Gattin Ottavia loswerden. Die wiederum überredet Poppeas frustrierten Ex-Liebhaber Ottone, ihre Widersacherin umzubringen. Was misslingt, aber den willkommenen Anlass liefert, Ottavia vom Hof zu verbannen. Die letzte moralische Instanz am Hof, der Philosoph Seneca, wird kurzerhand zum Selbstmord verurteilt, den der Stoiker auch prompt verübt. Poppea und Nero triumphieren.

Soweit die Kurzfassung der verblüffend modernen Story, die Karaman und Posca in den erwähnten 1980er-Kostümen á la „Denver-Clan“ und in einem raffinierten Bühnenbild aus gestaffelten grauen Wandfragmenten, die bei Bedarf vom Schnürboden herabgesenkt werden können, erzählen.

Schnelle Szenenwechsel sind möglich, und vor dem durchweg grauen Hintergrund schillert das illustre Personal umso bunter. Aber es klappt eben nur „ganz gut“ und nicht perfekt, weil Monteverdis Musik nicht so sehr in Schönheit „badet“, sondern schneller und, wenn man so will: „actionreicher“ auf die Situation eingeht. Dafür wären weniger Abstraktion und mehr handfeste Accessoires vielleicht doch hilfreich.

In der absurdesten Szene des Abends treffen Ottavia und Ottone im Gymnastikkeller aufeinander und schmieden zwischen Kick-Boxen und Aerobic ihre Attentatspläne. Mehr von solcher Überzeichnung, auch ein höheres Erzähltempo täten der in sich schlüssigen, aber mitunter statischen Inszenierung angesichts der über drei Stunden Spieldauer ganz gut.

Aber es wird ganz großartig gesungen und gespielt. Ralitsa Ralinova verabschiedet sich als hinreißende Poppea vom Wuppertaler Publikum, Catriona Morison singt betörend schön die für hohe Stimme komponierte Partie des Nero, Anna Alàs i Jové gibt eine vokal wie optisch attraktive Ottavia, und der junge Countertenor Franko Klisovic ist als Ottone eine Entdeckung für sich – um nur die Hauptpartien zu nennen.

Da keine originale Partitur der Oper vorliegt, muss sich jede Produktion für eine rekonstruierte Fassung entscheiden: Hier ist das eine ziemlich radikale Version des belgischen Komponisten Philippe Boesman (1936 - 2022), der sich keineswegs an einem „originalen“ barocken Klangbild orientiert, sondern eine sehr heutige Fassung nachkomponiert hat – mit Instrumenten wie Vibraphon und sogar Synthesizer. Das unterstreicht die Modernität der Oper. Ob man das mag, ist eine andere Sache.

Unter der Leitung von Matthew Toogood spielt das Sinfonieorchester Wuppertal ungemein delikat und meist im Piano oder Pianissimo: Eine superbe Orchesterbegleitung von minimalistischer Gestalt, die zum sehr genauen Hinhören auffordert. Das mag streitbar sein, aber es passt:

Als Abschluss der Intendanz von Berthold Schneider, in der es jedenfalls nie langweilig zuging, setzt diese „Krönung der Poppea“ szenisch wie musikalisch noch einmal ein Ausrufezeichen.

Wieder im Opernhaus, stets um 19.30 Uhr: Sonntag, 7. Mai 2023, dann noch am 12. Mai sowie am 2. und 25. Juni 2023.

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