"Romeo und Julia" als Kulturevent in der Fabrik

Wuppertal · Regisseur Robert Sturm macht aus seiner Shakespeare-Inszenierung in den Riedel-Hallen ein gelungenes künstlerisches Gipfeltreffen mit kleinen Abstrichen.

 Die unglückliche Julia (Luise Kinner) sucht Rat und Trost bei ihrer Amme (Ingeborg Wolff).

Die unglückliche Julia (Luise Kinner) sucht Rat und Trost bei ihrer Amme (Ingeborg Wolff).

Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Vor vier Wochen war die Halle an der Uellendahler Straße noch ein Lager, kalt und unwirtlich. Doch kein geringerer als der Bildhauer Tony Cragg hat sie in einen Theaterraum verwandelt. Podeste in verschiedenen Höhen stellen die Spielflächen dar, durch mächtige Stelen begrenzt.

Für den wunderbaren musikalischen Teil der Aufführung sorgen Matthias Burkert, Wolfgang Schmidtke und Werner Dickel. Jean-Laurent Sasportes ist für die Bewegung zuständig. Dazu gibt es ein Wiedersehen mit den Schauspielern Ingeborg Wolff, Julia Wolff, Hans Richter und Jörg Reimes, die von Kollegen aus Bochum und Köln unterstützt werden.

Zu Beginn ziehen Darsteller und Musiker auf das Spielfeld, das dann wie die Piazza der Stadt Verona wirkt. Hier ist Raum für Feste, aber auch für Dramen, Stärke des Bühnenraums, der sein Gesicht mit der Lichtregie wandelt, ohne sich wirklich zu verändern.

Auf Podesten findet das Publikum Platz, ist nah am Geschehen und doch oft meilenweit davon entfernt. Denn Sturm inszeniert aus der Distanz, kommt ohne Bühnenbild, Requisite und historische Kostüme aus, reduziert die Schauspieler auf sich selbst, lässt sie nicht in ihren Rollen aufgehen, sich hinter Kunstfiguren verstecken, stellt sie quasi ungeschminkt und sehr verletzlich in den Bühnenraum. Eine Herausforderung für die Darsteller, die über zwei Stunden sichtbar sind, nicht in den Kulissen verschwinden können. Sie halten die enorme Spannung, tragen den Abend auch textsicher durch die oft schwierige Akustik der Fabrikhalle.

Körperliche Interaktionen zwischen den Darstellern bleiben die Ausnahme, so stehen sich beim Zweikampf Mercutio (Andreas Potulski) und Tybalt (Moritz Heidelbach) mit Abstand gegenüber. Die Musik erzählt lautstark den heftigen Kampf, steht so gleichberechtigt neben dem Text. Dazu setzt die Regie auf Bilder und Bewegung, inszeniert die Geschichte der Liebenden, denen nur eine gemeinsame Nacht vergönnt ist, fast schon filmisch, verstärkt durch Videoeinspielungen.

Der Commedia dell' Arte gleich ziehen am Ende Darsteller und Musiker gemeinsam aus der Arena, hier nutzt der Regisseur geschickt die Möglichkeiten der Halle, schafft ein letztes Bild mit Wow-Effekt.
Ein nicht alltäglicher Theaterabend, der dem Publikum eine Menge abverlangte. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer packenden Inszenierung, hinreißenden Darstellern und toller Musik belohnt. Bei der Premiere bedankte sich das Publikum mit stürmischem Applaus. Alle weiteren Vorstellungen sind ausverkauft. Eine Wiederaufnahme wäre wünschenswert.

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