Nach Toreschluss - die Wochenendsatire I just called to say hör auf

Wuppertal · Man muss ja auch mal über den Tellerrand gucken. Deshalb war ich vorigen Samstag in Köln. Die haben nicht nur einen Schilderwald an den Autobahnbaustellen um die Stadt herum, sondern auch noch eine Schildergasse in der City.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Diese Einkaufsstraße hat die dritthöchste Passantenfrequenz in Deutschland.

Wer durch die Schildergasse gehen will, muss sich deshalb bewegen wie Christian Neureuther beim Slalom in Kitzbühel. Nur dass hier die zu umkurvenden Hindernisse auch noch aufs Smartphone gucken und deshalb selbst nicht auf den Gegenverkehr achten.

Erschwerend kommt hinzu, dass alle zehn Meter Straßenmusikanten am Werk sind, vor denen sich Menschentrauben bilden. Das hat seine Berechtigung, weil das Niveau der Darbietungen exorbitant ist. Man findet da Pop-Sänger, die bei "The Voice of Germany" locker ins Finale kommen würden, und klassische Instrumental-Virtuosen. Höhepunkt war ein Pianist, der es irgendwie geschafft hatte, einen kompletten Flügel vor den Kaufhof zu stellen und darauf auch noch zu spielen wie Lang Lang.

Sowas kennen wir als Wuppertaler nicht. Wir haben hier überwiegend Straßenmusiker mit Vorkriegs-Akkordeons, an denen die Hälfte der Tasten fehlt. Und selbst wenn wir jemand mit Flügel hätten, würde der wahrscheinlich spielen wie Kurz Kurz.

Das wurde mir am Donnerstag besonders drastisch vor Augen geführt, als ich die einzige Sonnenstunde der vergangenen Herbstwoche für eine Kaffeepause auf dem Elberfelder Kirchplatz nutzte. Dort materialisierte sich plötzlich ein Gitarrenspieler, der offenbar erst vor drei Wochen seine erste Unterrichtsstunde auf dem Instrument genommen hatte. Deshalb führte er das zur Darbietung vorgesehene Liedgut sicherheitshalber auf einer Rhythmusmaschine mit, die er mutmaßlich einem auf Dorfhochzeiten spezialisierten Alleinunterhalter aus dem tiefsten Sauerland gebraucht abgekauft hatte, ohne die einprogrammierten Songs zu ändern.

So schollen die Noten des schon im Original kaum nüchtern zu ertragenden "I just called to say I love you" über den Kirchplatz. Der Gitarrero garnierte den von der Maschine discogefoxten Karrieretiefpunkt Stevie Wonders mit einzelnen, sehr überraschend eingestreuten Zupfern an den Saiten, deren Ausführung aus medizinischer Sicht einen Arztbesuch zum Ausschluss von Parkinson ratsam erscheinen ließen.

In Kombination mit dem Verzicht auf das vor öffentlichen Auftritten ansonsten ja nicht unübliche Stimmen des Instruments ergab sich insgesamt ein Musikvortrag, der die Milch im Latte Macchiato sauer werden ließ. Und mich auch. Da mir keine Handy‧nummer des Künstlers vorlag, konnte ich leider nicht anrufen um zu sagen "I just called to say you hör auf" und musste den Rest des Konzertes mit dem gleichen lähmenden Entsetzen wie das übrige unfreiwillige Publikums über mich ergehen lassen.

Als der Künstler danach mit dem Hut rumging, war ich sicher, dass er Schmerzensgeld anbieten wollte. Es war aber gar keins drin, das man hätte rausnehmen können ...

An dieser Stelle rächt es sich, dass Straßenmusiker in Wuppertal neuerdings keine Genehmigung mehr brauchen. Jeder kann jetzt da spielen wie er will, so lange er es unverstärkt und nicht länger als 30 Minuten an derselben Stelle macht. Einzige Chance: Nächsten Samstag gehe ich in die Fußgängerzone und singe da den ganzen Tag "Nessun Dorma". Danach wird der Rat das wieder ändern ...

Bis die Tage!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Roderich Trapp.
Dackelverbot?
Nach Toreschluss - die WochenendsatireDackelverbot?
Zum Thema
Aus dem Ressort