Aus dem Tagebuch der Redaktion Bachmann-Celan-Overdrive

Wuppertal · "Es ist wahrscheinlich die größte und unglücklichste Dichterliebe des 20. Jahrhunderts." So fängt ein Artikel an, den Iris Radisch in der "Zeit" vom 28. April veröffentlicht hat. Brigitte Specovius, treue Teilnehmerin der Politischen Runde der VHS, die ich alle paar Wochen moderiere, bringt mir regelmäßig das "Zeit"-Feuilleton mit.

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Und so ist mir dieser Artikel nicht entgangen. Und nicht, dass das alles ein bisschen auch mit Wuppertal zu tun hat.

Paul Celan ("Todesfuge"), der größte Lyriker in deutscher Sprache, und Ingeborg Bachmann ("Anrufung des Großen Bären"), für die als Lyrikerin dasselbe gilt (meiner sehr persönlichen Meinung nach), waren ein Liebespaar. Ein schwieriges. Von 1948 bis 1950 und dann wieder von 1957 bis 1958.

Jetzt sind auf dem Speicher bei Familie Bachmann in Klagenfurt zwei sehr private Briefe Celans an Bachmann gefunden worden. Ein großes Ereignis für Biographen und Literaturwissenschaftler. Davon handelt der Artikel in der "Zeit".

Vom 16. und 17. Oktober 1957 datieren die leidenschaftlich-verzweifelten Briefe. Wenige Tage vorher, am 11. Oktober, hatten sich Celan und Bachmann nach siebenjähriger Funkstille in Wuppertal wieder getroffen — bei einer Literaturkritik-Tagung. Noch nie hatte ich davon gehört. Wo fand die wohl statt? Wer weiß noch davon? Als dieses Schriftsteller-Treffen zu Ende ist, verlassen Celan und Bachmann Wuppertal, fahren nach Köln, verbringen dort eine Nacht im Hotel, nähern sich einander wieder an. Es könnte etwas werden mit dem gemeinsamen Leben ... Aber nein. Sie finden nicht zueinander.

13 Jahre später ertränkt sich Paul Celan in Paris in der Seine, weitere drei Jahre später, 1973, stirbt Ingeborg Bachmann in Rom an den Folgen eines Brandes in ihrer Wohnung, den eine nicht gelöschte Zigarette ausgelöst hat. Sie stirbt am 17. Oktober. Das Datum, das auch Celans zweiter (jetzt wiedergefundener) Brief von 1957 trägt... Und der mit den Worten endet: "Wir sind verloren und verzweifelt genug." Und seit der endgültigen Trennung von Celan im Jahr 1958, kurz nach Wuppertal, hat Ingeborg Bachmann nie wieder ein Gedicht geschrieben.

Diese Rubrik heißt "Aus dem Tagebuch der Redaktion". Die Bachmann-Celan-Story, auf die ich zufällig gestoßen wurde/bin, passt, finde ich, richtig gut hierher. Auch und gerade, weil sie anders ist als all das Übliche, das tatsächlich oder irgendwie mit Wuppertal zu tun hat.

Und — wieder Lust auf Literatur bekommen? Auch von Lebenden? Am Dienstag, 24. Mai, startet die dritte "Wuppertaler Literatur Biennale": Die läuft bis zum 4. Juni, hat das Thema "Heimat" und steckt voller toller Live-Programmpunkte. Steht alles auf www.wuppertaler-literatur-biennale.de: Reinschauen, auswählen, hingehen!

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